Samaritaner in Nablus

(Westjordanland)

 

                       

Wenngleich der  barmherzige Samariter den meisten präsent ist, so ist die Existenz der kleinen Bevölkerungsgruppe und Religionsgemeinschaft der Samaritaner in Nablus (Hebr.: Shkhem) und in Ḥolon (Israel, bei Tel Aviv) – jeweils ca. 300 Menschen – weit weniger bekannt.

Während sie auf Hebräisch Shomronim (Shomron ist Samaria, also Bewohner Samariens) genannt werden, nennen sie sich selbst Shomrim, was „Wächter, Bewahrer“ (al ha-emet, der Wahrheit) bedeutet oder B’nei Yisrael (Söhne/ Kinder Israels).

Informationen über die Ethnogenese bzw. die Entstehung der Religion der Samaritaner liefert zwar der Tanakh, die hebräische Bibel, doch bleiben bis heute noch eine Reihe von Fragen offen.

Nach dem Tanakh (1.Buch der Könige, 11: 31-39; 12: 20-32) sollen sich um 975 v.Chr. zehn der zwölf ur- oder vorjüdischen Stämme, mit Ausnahme von Yehuda und Binyamin als Folge der Unter-drückungsmaßnahmen des Königs R’ḥav’am (Rehobeam, Sohn von Shlomo/ Salomon) getrennt und nördlich von Judäa, in Samaria und Galiläa, einen eigenen Staat gegründet haben, dessen erster König Yarav’am (Yerobeam) war. Diese Trennung war nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse; indem man nämlich nun auch vom Zentralheiligtum, dem Tempel in Jerusalem abgetrennt war, errichtete man sein religiöses Zentrum in Sh’khem, der (heute) größten Stadt Samarias. Die Stadt liegt zwischen dem Har Gerizim, dem „Berg des Segens“ und dem Har ’Eival, dem „Berg des Fluches“ (Josua 8: 30-34; 5.Buch Mose 27: 12-26). Zur Zeit Alexanders des Großen wurde auf dem Berg Gerizim der samaritanische Tempel erbaut, den allerdings die Juden unter dem Hasmonäer Yoḥannan Hyrkan(us) I. im Jahre 128 v.Chr. zerstörten.

Das Gebiet der zehn Stämme, die Israeliten genannt wurden, nicht jedoch Judäa, ist in den Jahren 724-722 v.Chr. von den Assyrern unter Shalmaneser erobert worden (2. Könige 17: 3-6, 9-11). Sie deportierten einen Teil der Bevölkerung (27.290 Menschen sollen es gewesen sein) nach Meso-potamien und verpflanzten andere unterjochte Völker nach Samarien (2.Könige 17: 24-41). Nach der von jüdischer Seite bevorzugten Theorie soll das Volk der Samaritaner so aus einer Mischung der in Samarien verbliebenen Israeliten mit den dort angesiedelten Fremden entstanden sein. Diese Vermischung, die Abkehr vom Hauptstrom der jüdischen Religion und eine anfängliche Vielgötterei der zehn Stämme, begründete die Ablehnung und Feindschaft zwischen Juden und Samaritanern durch die Jahrtausende, die sich u.a. auch in einem verächtlichen Beinamen für die Samaritaner, Kuttim, einem der von Assyrien nach Samarien deportierten Völker, zeigt.

Die Samaritaner selbst führen sich in ihren eigenen Chroniken auf die Stämme Efraim und Menashe (Manasse) und ihre (anders als bei den Juden) heute noch existierende Hohepriesterschaft direkt auf Aharon (Aaron) zurück. Demnach wären sie das Resultat einer weiteren Zersplitterung der zehn Stämme, deren übrige weiter nördlich von Sh’khem, in Shiloaḥ einen neuen Kult begründet hätten.

In Jahre 634 veranlaßte der Sieg der Muslime am Yarmuq (jordanisch-syrisches Grenzgebiet) viele Samaritaner zur Flucht nach Osten, wo. Besonders Damaskus, aber auch Kairo und Gaza (bis Anfang des 18.Jhs.) wurden samaritanische Zentren außerhalb Samariens. 1137 verursachten die Angriffe auf Nablus eine weitere Dezimierung.

Während noch im Mittelalter die Samaritaner ein Volk von etwa einer Million Menschen gewesen waren, hat vor allem die Islamisierung (vorher schon die Christianisierung – Kriege mit den Byzantinern) sie auf eine Zahl von ca. 190 zu Beginn des 20.Jhs. schrumpfen lassen. Den heute immerhin wieder etwa 600 Samaritanern (in allerdings nur fünf Sippen) ist es 1923 von ihrer Führung erlaubt worden, auch jüdische Frauen zu heiraten (Übertritt zur samaritanischen Religionsge-meinschaft vorausgesetzt) – es herrscht offenbar auch heute noch ein Männerüberschuß - um das Aussterben der Religionsgemeinschaft abzuwenden (Bevölkerungspolitik im Kleinen). Vor einige Jahren sollte der Versuch unternommen werden, eine dritte samaritanische Siedlung zu gründen, doch scheiterte das offenbar bisher. Davon hatte man sich ein weiteres Ansteigen der Bevölke-rungszahl erhofft.

Die Ansiedlung der Samaritaner im Gebiet des heutigen Staates Israel erfolgte zwar vor etwa einem Jahrhundert, während der britischen Mandatszeit, von Nablus aus, doch haben sich die in Israel verstreut lebenden Samaritanern erst 1954 in Ḥolon in einem eigenen Viertel versammelt, wo sie 1963 ihre erste Synagoge in Israel errichte-ten.

Der frühere israelische Präsident Yitzḥaq Ben-Tzvi hatte sich besonders der Samaritaner ange-nommen und damit eine gewisse Annäherung von Juden und Samaritanern erreicht.

Die israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen haben die Samaritaner in den 1990er Jahren veranlaßt, ihre Wohnungen in einem Viertel von Nablus zu verlassen und die Häuser auf dem Berge Gerizim zu ziehen, die sie vorher nur temporär (besonders während des Pessach-Festes) bewohnt hatten. Allerdings müssen sie zur Arbeit in die Stadt, wo u.a. manche von ihnen Läden besitzen.

Auf dem für sie heiligen Berge Gerizim – der Glaube daran ist eines ihrer Gebote - liegt übrigens auch ihr Friedhof.

Die religiösen Riten und Feste, Kalender und nicht zuletzt die Thora der Samaritaner unterscheiden sich mehr oder weniger von denen der Juden. Außer der (wenn auch etwas abgeänderten) Thora erkennen sie die übrigen Schriften des Tanakhs nicht an. Die Priesterschaft hat eine weit größere Bedeutung als bei den Juden, ebenso etwa die Gebote bezüglich der rituellen Reinheit bzw. Unrein-heit. Die Samaritaner besitzen eine eigene Schrift, die eine altertümliche Form des Hebräischen ist. Zeitweilig war ein westaramäischer Dialekt ihre Umgangssprache. Heutzutage ist das Arabische die Muttersprache, die in Israel möglicherweise immer mehr durch das Ivrit (Neuhebräische) verdrängt werden dürfte.

 

 

Literaturauswahl zum Thema:

 

Art.: Samaritans

    In: Encyclopaedia Judaica, vol.14 (1972), Sp.725-757

    Jerusalem

COGGINS, Richard J.:

    Samaritans and Jews: The Origins of Samaritanism Reconsidered

    Atlanta/ GA 1975

CROWN, Alan D. (ed.)

    The Samatitans

    Tübingen 1989

DEXINGER, Ferdinand (Hrsg.):

    Die Samaritaner

    (Wege der Forschung, 604)

    Darmstadt 1992

GASTER, Moses:

    The Samaritans

    Their history, doctrines and literature

    München 1980 (Reprint der Ausg.  London 1925)

JEREMIAS, Joachim:

    Die Passahfeier der Samaritaner

     und ihre Bedeutung für das Verständnis der alttestamentlichen Passahüberlieferung

    (Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Beiheft 59)

    Giessen 1932

MACDONALD, John:

    The Samaritan Chronicle No.II

    From Joshua to Nebuchadnezar

    (Beihefte ZAW, 107)

    Berlin 1969

MAYER, Leo A.:

    Bibliography of the Samaritans

    (Supplements to Abr-Nahrain, 1)

    Leiden 1964

PUMMER, Reinhard:

    The Samaritans

    Leiden 1987

ROTHSTEIN, Johann W.:

    Juden und Samaritaner : die grundlegende Scheidung von Judentum und Heidentum

     eine kritischeStudie zum Buche Haggai und zur jüdischen Geschichte im ersten nachexilischen Jahrhundert

    (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament, 3)

    Leipzig 1908

SCHUR, Natan:

    History of the Samaritans

    (Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums, 18)

    Frankfturt/ M. U.a. 1992 (2nd ed.)

ZANGENBERG, Jürgen (Hrsg.):

   Samareia

    Antike Quellen zur Geschichte und Kultur der Samaritaner in deutscher Übersetzung

    (Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter, Bd.15)

    Tübingen 1994

 

 

Einige Webseiten über Samaritaner:

 

http://www.write-on.u-net.com/samaritans.htm

 

http://www.uni-leipzig.de/~judaica/i-faith/aktiv/samarit.htm

 

http://www.newadvent.org/cathem/13417a.htm

 

http://www.campsci.com/iguide/har_gerizim_and_har_ayval.htm

 

http://www.paichai.ac.kr/~thesis/_data/_inmoon/173.html

 

http://www.bibfor.de/archiv/99-1.zangenberg.htm

 

http://www.bib-arch.org/barmj98/pummer.html

 

 

 

Abb.1

Judäa und Samaria

zur Zeit der Bibel

(aus: F.W.Putzger: Historischer Weltatlas, 91.Aufl., Berlin 1969, S.32)

 

 

 

 

In Nablus

 

 

 

Abb.2

Gottesdienst in der samaritanischen Synagoge in Nablus.

Die lange Zeit als Minderheit in islamischer Umgebung hat, wie man sieht, seine Spuren hinterlassen

 

Abb.3

Gottesdienst in der Nabluser Synagoge

 

 

 

 

Abb.4

Samaritanische Priester in Nablus während einer Hochzeit

 

 

 

Auf dem

Berg Gerizim

 

 

Abb.5

Blick auf die samaritanischen Häuser

auf dem unteren Teil des Gerizim.

Im Vordergrund ein beduinischer Angehöriger

der israelischen Grenztruppen.

Unten im Tal die Stadt Nablus

 

 

Abb.6

Samaritanerinnen auf dem Gerizim.

Anders als der „Berg des Fluches“ ist der

„Berg des Segens“ teilweise bewaldet.

Blick Richtung Süden

 

 

 

Fortsetzung

 

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Fotos © Rüdiger Benninghaus (1975 und 1976)

 

Letzte Änderung: 7.August 2001

 

 

 

 

 

 

 

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