Verfolgung und Widerstand von Zigeunern

in Köln

während des Nationalsozialismus

 

Persecution and Resistance of Gypsies

in Cologne under Nationalsocialism

 

Nazi Almanya’sında Köln Çingeneler’ine

yapılan zulüm ve onların direnişi

 

 

1. Das Leben des Joki Demetri

und seiner Familie in der NS-Zeit

 

The Life of Joki Demetri and His Family

during the Nazi Era

 

Joki Demetri ve ailesinin

Nazi zamanındaki hayatı

 

 

 

Rüdiger Benninghaus

 

 

 

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Verschiedene Bücher und Artikel behandeln die Verfolgung der Zigeuner[1] während der braunen Zeit,[2] einige auch das Schicksal einzelner Zigeuner bzw. Familien (sowohl von Sinti[3] als auch von Roma[4]) – insgesamt nicht sehr viele, etwa verglichen mit Biographien und Autobiographien jüdischer Opfer der NS-Terrorherrschaft. Während der Widerstand verschiedener Kreise gegen das NS-Regime breite Bearbeitung gefunden hat – sicherlich nicht zuletzt auch aus politisch-moralischen Beweggründen – wird man über den Widerstand, die Selbstbehauptung von Zigeunern ebenfalls nur wenig lesen können.[5]

Aus den „Zigeunerpersonenakten“,[6] die bis 1989 – zeitweise verleugnet[7] – im Kölner Polizeipräsidium lagerten und dann in das Hauptstaatsarchiv (Landesarchiv) NRW in Düsseldorf gelangten, wird in diesem Aufsatz versucht, soweit möglich, einen Abschnitt im Leben des Joki Demetri, eines Rom(-Zigeuners) vom „Stamm“ der Kelderara (auch: Kalderascha) nachzuzeichnen. Zwei der vier Akten[8], nämlich die von Joki,  sind umfangreicher als die meisten anderen des gleichen Bestandes, auch ist es eher die Ausnahme, daß zwei Akten für die gleiche Person existieren; ihr Studium läßt darüber hinaus den Gedanken aufkommen, daß es sich hier wohl nicht um einen ganz gewöhnlichen „Fall“ handelt, man also nicht unbedingt von einem „exemplarischen“ Schicksal eines NS-Verfolgten sprechen kann. Aufgrund der Quellenlage mußte die Darstellung weitgehend aus der Sicht bzw. den schriftlichen Hinterlassenschaften der Verfolger, der Behörden, geschehen.

Joki Demetri’s Vater gehörte zu den Kelderara; ob die Mutter auch dazu oder zur sprachlich und kulturell verwandten, manchmal auch als Untergruppe der Kelderara angesehenen Gruppe der Tschurara[9] gehörte, konnte nicht abschließend beantwortet werden. Die NS-Rasseforscher haben Joki jedenfalls als „Gelderari“ eingestuft;[10] in der „Rassendiagnose“ der „Rassen-hygienischen und Bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle beim Reichsgesundheitsamt“, die von dem Mediziner Robert Ritter geleitet wurde, heißt es in der Klassifizierung auf dem Vordruck: „Zigeuner („Róm“ aus Ungarn)“, was ebenfalls für die Roma-Gruppe der Lovara[11] verwendet wurde. Das Gutachtenblatt trägt darüber hinaus jedoch als „Konkretisierung“ in roter Farbe den Stempel: „Die Gelderari-Zigeuner gehören zu dem großen Stamm der Róm-Zigeuner. Sie stammen von Kesselflickerfamilien aus dem Balkan ab und unterscheiden sich von den übrigen Róm-Zigeunern durch besonders urtümliche Rassenmerkmale.“

Lovara und Kelderara waren zu jener Zeit die beiden Hauptgruppen der Roma in Deutschland. Verstärkt eingewandert sind sie etwa ab den 1860/70er Jahren aus Ost- bzw. Südosteuropa. Zur NS-Zeit sollen von den durch die „Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“[12] „begutachteten“ 18.922 Zigeunern in Deutschland 1.585 „Róm-Zigeuner (Ungarische Zigeuner)“ und 211 „Balkanische Zigeuner (Kelderari und Bärenführer)“ gewesen sein,[13] was bedeutet, daß die Kelderara offenbar in der Statistik unter beiden Gruppen auftauchen. Natürlich sind weder alle Lovara noch alle Kelderara (auch wenn sie im Gutachten als „Róm-Zigeuner aus Ungarn“ erscheinen) aus Ungarn nach Deutschland gekommen, wie es die Gutachten recht stereotyp darstellen.

Es wird angenommen, daß Joki – in den Akten manchmal auch als Jocki oder Goki verzeichnet – am 27.Dezember 1908 in Łódź[14] in Zentral-Polen (in den Akten nach dem Überfall der Deutschen auf Polen auch: „früher Polen“) geboren ist. Dies darf man nun wohl nicht so auffassen, daß Łódź seine Heimatstadt oder die seiner Eltern war. Es war höchst-wahrscheinlich nicht mehr als ein Zufall, daß Joki dort geboren wurde, auf Reisen eben, zumal seine Mutter, Rosa Demetri am 10.Mai 1882 in Wien das Licht der Welt erblickt hatte.[15] Seinen Vater, Seriga Kaikoni (Joschka mit Zigeunernamen) hat Joki kaum oder gar nicht kennengelernt, da er früh verstorben ist; so enthalten die Akten auch keine Lebensdaten über ihn. Die Eltern waren, wie auch heute noch unter Zigeunern häufig anzutreffen, nicht standesamtlich oder kirchlich getraut, sondern lebten in „Zigeunerehe“ oder „nach Zigeunerart“ zusammen, wie es damals hieß. Immerhin war von den Behörden diese Art der Partnerschaft als eine der Ehe vergleichbare Institution der Volksgruppe(n) der Zigeuner wohl mehr oder weniger als Realität akzeptiert, besonders wenn aus ihr Kinder hervorgegangen waren.[16]

Die Kaikonis scheinen, was Deutschland betrifft, hauptsächlich seinen nördlichen und mittleren Teil bereist zu haben, wie man den biographischen Daten einzelner Träger dieses Familien-namens, deren der Verfasser „habhaft“ werden konnte, entnehmen kann.[17]

Zwar hat man teilweise unbesehen die Konfession von Joki als römisch-katholisch ange-nommen, doch ist aus irgend einem Grunde ein Schreiben der „Dienststelle für Zigeunerfragen“ bei der Kriminalpolizeileitstelle Köln an das „Standesamt in Lodsch“ von der „Russisch-Ukrainischen Orthodoxengemeinde“ in Lodsch (am 21.3.1940) beantwortet worden, also nicht von einer städtischen oder katholischen Institution. Diese Kleinigkeit mag vielleicht gar nicht unwichtig sein. Während die heute in Deutschland lebenden „deutschen Roma“, die Kaikonis und Demetri’s eingeschlossen, wohl bis in jüngste Zeit und teilweise immer noch römisch-katholisch waren/ sind und erst in den letzten Jahren durch gezielte Missionierung vor allem von Pfingstlergemeinden in größerer Zahl zu Freikirchlern geworden sind, könnte hier eine Beziehung zur orthodoxen Konfession angedeutet sein, d.h. ein möglicherweise längeres Verweilen in Gebieten mit einer mehrheitlich russisch-orthodoxen (oder vielleicht auch rumänisch-orthodoxen ?) Bevölkerung. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß ein Religions- oder Konfessionswechsel bei Zigeunern recht schnell vonstatten geht.

Während Joki anfangs noch als „Reichsdeutscher“ galt, sah man ihn später als Staatenlosen an. Eine Schule hat er nicht besucht, weshalb er Analphabet geblieben ist.

Sein Vater war Händler, vermutlich hauptsächlich mit Pferden; denn nach seinem Tode ist Joki zunächst mit seiner Mutter – Geschwister hatte er nicht, was wohl durch den frühen Tod seines Vaters zu erklären sein dürfte – weiter „nach Zigeunerart“, wie es die Behörden ausdrückten, herumgereist und hat Handel mit Pferden und Textilien betrieben.

Etwa um 1934 muß dann Joki mit der „deutschblütigen“ Hilde(gard) S. eine „Zigeunerehe“ einge-gangen sein; Versuche, standesamtlich zu heiraten, sind offenbar während der NS-Zeit daran gescheitert, da er nicht die notwendigen Papiere (Geburtsurkunde) beibringen konnte. Die orthodoxe Kirche in Łódź konnte ihn jedenfalls nicht in ihren „Standesbüchern“ finden (s.o.). Hildegard S. (geboren am 19.Januar 1911 in Mönchengladbach-Rheindahlen) mag möglicherweise zu einer heute noch am Niederrhein und in Köln anzutreffenden Jenischen-Familie[18] gehören, die man auch manchmal als „weiße Zigeuner“ bezeichnet(e) und die vermutlich Korbmacher waren. Dafür spricht u.a. daß sie offenbar kaum oder gar nicht die Schule besucht haben dürfte, da sie teilweise amtliche Protokolle mit drei Kreuzen unter-schrieb[19] und sich auf der Flucht vor der Polizei Korbmachern anschloß. Ihr Vater, Anton S., taucht in den Akten als „Manufakturwarenhändler“ auf. Dem Namen nach zu urteilen, mag ihre Mutter keine Jenische gewesen sein. 1941 lebten ihre Eltern in Neuss-Grimmlinghausen.[20]

Die unterschiedlichen Geburtsorte der fünf gemeinsamen Kinder von Joki D. und Hilde S. zeugen von einem Leben auf Reisen, das, wie später zu sehen sein wird, auch die NS-Behörden trotz entsprechender Gesetze nicht unterbinden konnten. Die fünf Kinder waren: Friedrich S. (* 24.2.1935 in Heinsberg), Helmut S. (* 24.8.1936 in Sterkrade), Karl-Heinz S. (* 7.1.1938 in Mönchengladbach), Josef S. (* 12.6.1939 in Aachen) und Hans Günther S. (* 21.8.1941 in Köln, schon früh, am 8.1.1942 verstorben). Sie scheinen also hauptsächlich im Rheinland und in angrenzenden Gebieten (z.B. Münsterland, wo Hildegard S. im Februar 1938 in Coesfeld erkennungsdienstlich behandelt und erfaßt worden war) gereist zu sein.

Die Familie hat sich offenbar, von Aachen kommend, erstmals 1939 in Köln niedergelassen; im Januar 1940 wohnte sie in dem Griechenmarktviertel (Kleiner Griechenmarkt 50) der südlichen Kölner Altstadt, wo in verschiedenen Straßen sowohl Sinti als auch Roma Mietwohnungen bezogen hatten. Es war der Stadtteil in Köln, in dem die meisten Zigeuner lebten, ein arme-Leute-Viertel, das auch viele Juden osteuropäischer Herkunft bewohnten und von dem ein Kripobeamter als von „einem verrufenen als Verbrecherviertel bekannten Stadtteil“ schrieb.[21]

Joki’s Mutter Rosa lebte und arbeitete 1938 noch in der Gegend von Oldenburg. Ihr Sohn und seine Frau waren zu der Zeit, wie es scheint, unabhängig von ihr im Westen Deutschlands (zwischen Aachen und dem Ruhrgebiet) unterwegs. Spätestens im März 1940 lebte Rosa Demetri dann ebenfalls in Köln, im gleichen Haus wie ihr Sohn. Anfang Januar 1941 ist sie von dort in die Schemmergasse 1 umgezogen.

Am 17.10.1939 ist der sogenannte „Festsetzungserlaß“[22], ein Schnellbrief Himmlers, ver-öffentlicht worden, der es Zigeunern nicht mehr erlaubte, herumzuziehen. Sie wurden von der Kriminalpolizei einzeln[23] darüber in Kenntnis gesetzt, daß sie ohne Erlaubnis ihren Wohnort nicht verlassen durften; im Übertretungsfall drohte man ihnen mit der Einweisung in ein Konzentrationslager, was auch in manchen Fällen so gehandhabt wurde. Erlaubnisscheine für kürzere Reisen wurden jedoch erteilt; am Zielort hatte man sich allerdings bei der dortigen Polizei zu melden und diese Meldung bescheinigen zu lassen. So hatte Joki z.B. für den 16. und 17.12.1940 die Erlaubnis bekommen, zur Beerdigung des Kindes seines Schwagers Heinrich S. , der mit der Lovarkinja Hella Wernicke in „Zigeunerehe“ lebte,[24] nach Krefeld zu reisen oder vom 31.12.1940-1.1.1941 ebenfalls nach Krefeld zum Besuch seiner erkrankten Schwägerin Maria S. Vom 3.-12.9.1941 hat er sogar die Erlaubnis bekommen, nach Harburg bei Hamburg zu reisen, wohin er offenbar umzuziehen beabsichtigte. Die Harburger Behörden verhinderten jedoch einen Umzug „mit Rücksicht auf Eingemeindung nach Groß-Hamburg“. Es könnte sein, daß Joki eine Flucht aus Nazi-Deutschland über Hamburg (vielleicht nach Großbritannien oder Skandinavien) plante oder daß er dort mehr Verwandte hatte.

Mitte Mai 1940 sind ja bereits viele Zigeuner aus West- und Nordwestdeutschland ins „General-gouvernement“ (Polen) „umgesiedelt“ worden,[25] wovon allerdings Joki und seine Familie ausgenommen waren. Aus dem besetzten Polen sind immer wieder Zigeuner geflohen und in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt; jedenfalls dürften Joki und andere verbliebene Zigeuner Nachricht von der Situation in Polen bekommen haben. 

In Köln hat schon wenige Monate nach der Niederlassung von Joki Demetri’s Familie ein anonymer Schreiber am 15.3.1940 eine Postkarte an den „Herrn Oberkriminal“ im Polizei-präsidium am Waidmarkt gerichtet, worin er mitteilte, daß „ungarsche Ziegeuner“ im (Kleinen) Griechenmarkt 52 (mußte wohl richtig 50 heißen) wohnten, von denen die Frau u.a. mit Unterwäsche hausieren gehen würde und daß man sie doch einmal kontrollieren solle. „Also ich hoffe, daß mich der Herr Kriminal wol verstanden hat. Bitte Karte zu verschweigen.“ Der Kriminalbeamte vermerkte jedoch, daß es sich in der anonymen Postkarte um „Unwahrheiten“ und „Gehässigkeiten“ handelte.[26]

Joki mag von Unruhe getrieben gewesen sein, als er zunächst im Oktober 1940[27] in den nicht weit entfernten Mauritiussteinweg 49 umzog, um dann im April 1942 wieder in den Kleinen Griechenmarkt (diesmal Nr.36) zurückzuziehen.

Da er sein ambulantes Gewerbe nicht mehr ausüben durfte, war er gezwungen, als Hilfsarbeiter (u.a. bei der Fa. Schwerm & Lange in Köln-Mülheim und der Kartonagenfabrik Seybold in Köln-Ehrenfeld[28]) zu arbeiten. Es war tatsächlich zum Teil eine Zwangsarbeit, zu dem das Arbeitsamt in engem Zusammenspiel mit der Kriminalpolizei Zigeuner gezwungen hatte. Ein Weigerung hätte die Einweisung in ein Konzentrationslager zur Folge haben können.

Am 29.8.1941 verfaßte das Rittersche „Forschungsinstitut“ über Joki Demetri eine „Rassen-diagnose“, wo eben seine Zugehörigkeit zu den Kelderara bescheinigt wurde. Mit gleichem Datum schrieb das Institut in seiner „gutachtlichen Stellungnahme“ zu Hildegard S.: „Nicht-Zigeuner (ist Angehöriger einer Zigeuner-Mischling Familie“ (sic !). In dem Zusammenhang hatte Joki einen Kölner Rechtsanwalt eingeschaltet, der durch ein Schreiben vom 26.9.1941 an den Kriminalrat Walter Hennig des 11.Kommissariats[29] offenbar versuchte, das weitere Zusammenleben angesichts des zu erwartenden Ritter-Gutachtens zu erreichen. Der Rechts-anwalt schrieb u.a.: „Sobald dieses Gutachten eingegangen ist, bitte ich mich zu benach-richtigen, um mir Gelegenheit zu geben, zu dem Ergebnis der Untersuchung Stellung zu nehmen und entsprechende Anträge zu stellen. Ich weise schon heute darauf hin, daß Demitri und die S... längst formgerecht getraut wären, wenn die formelle Eheschliessung nicht infolge des Fehlens einer Geburtsurkunde des Mannes unmöglich gewesen wäre. Jedenfalls sorgt D. für seine Kinder und deren Mutter und geht m.W. regelmässiger Beschäftigung nach. Bei Frau S... ist, nachdem sie 5 Kinder von D. geboren hat, rassisch nichts mehr zu retten. M.E. ist es also das Beste, wenn man das Paar gewähren lässt, selbst wenn die standesamtliche Eheschliessung aus formellen Gründen nicht mehr nachgeholt werden kann. Zwingt man das Paar zur Trennung, so hätte das lediglich zur Folge, dass die Kinder der Allgemeinheit zur Last fielen. ...“[30]

Genutzt haben diese Einlassungen nichts, was der Rechtsanwalt nach einem Telefonat mit der Kripo dann auch einsehen mußte. Die beiden Eheleute mußten, wie andere Zigeuner in der gleichen Situation auch, sich schriftlich verpflichten, den Kontakt zueinander abzubrechen. Im Dezember 1941 mußte Hildegard S. bei der Polizei die Erklärung unterschreiben, die im Wortlaut den Zwangserklärungen in anderen Fällen gleicht: „Mir wurde eröffnet, daß ich ab sofort jede Gemeinschaft mit dem obengenannten Jocki Demetri aufzugeben habe und mir der Geschlechtsverkehr mit ihm und auch mit anderen Zigeunern und Zigeunermischlingen verboten ist. Im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung habe ich zu erwarten, daß ich in polizeiliche Vorbeugungshaft genommen werde.“[31] Ihr Mann mußte seinerseits eine ähnliche Erklärung unterzeichnen. Hilde S. war übrigens noch einen Monat zuvor als Zigeunerin erfaßt worden.

 

Mitte November 1942 erschien Joki bei der Kölner Kripo und gab zu Protokoll, daß er sich etwa eine Woche zuvor in der Lindenburg (Klinik) habe sterilisieren lassen und deshalb wieder mit Hildegard S. zusammenleben wolle.[32] Hätte er etwas von dem späteren Schicksal seiner Kinder geahnt, wäre er möglicherweise nicht zu diesem Schritt bereit gewesen. Nicht wenige Zigeuner haben sich geweigert, der Sterilisation zuzustimmen.

 

Gegen Ende Oktober 1942 ist Joki Demetri’s. Mutter Rosa mit der Polizei in Konflikt gekommen, als sie mit anderen Zigeunern in einer Wohnung im Kleinen Griechenmarkt 37, wo zu der Zeit neun Zigeuner (alle oder die meisten wohl Roma) wohnten, nach Alkoholgenuß zu mitter-nächtlicher Stunde durch Singen und anderem Lärm auffielen, so daß die Polizei gerufen wurde. Dabei machte Rosa Demetri den folgenschweren Fehler, sich verbal mit der Polizei anzulegen und ihr außerdem 20 Mark anzubieten, falls sie die Angelegenheit auf sich beruhen lassen würde; zudem hatte sie keinen „Zigeunerpaß“ mit sich geführt. Das Kölner Amtsgericht verurteilte sie am 19.1.1943 zu einem Monat Gefängnis wegen Bestechung; am 2.3.1943 ist sie in das KL Auschwitz eingeliefert worden. Rosa Demetri ist im Lagerbuch des Zigeunerlagers Auschwitz-Birkenau verzeichnet.[33] Das Datum der Einlieferung fehlt dort allerdings (wie auch bei den meisten der anderen Deportierten), es wird jedoch am 13.8.1943 vermerkt, daß sie dort „verstorben“ sei, was immer das bedeutete. Das Lagerbuch enthält auch drei Mitglieder der Kaikoni-Sippe.[34]

Vermutlich war die Einlieferung seiner Mutter in das Konzentrationslager und die vorherigen Deportationen von Zigeunern aus seiner Umgebung für Joki das Signal, nur wenige Tage darauf aus Deutschland zu fliehen. Er hatte sich zu dem Zweck falsche Papiere (Familien-stammbuch) besorgt, die auf den Namen Christian Haas lauteten. Den Familiennamen Haas gibt es unter Zigeunern (offenbar bei den Sinti);[35] möglicherweise ist Joki auf diesem Wege an entsprechende Papiere gekommen. Neben seiner Frau und den vier Söhnen (der jüngste, fünfte Sohn war im Vorjahr gestorben) waren am 6.März 1943 mit ihm im Zug von Salzburg nach Schwarzach drei weitere Personen, zwei deutsche Frauen aus dem Griechenmarktviertel und ein etwa 51jähriger Rom (Lovari) namens Wilhelm Pohl, der jedoch gleichfalls falsche Papiere (auf den Namen Friedrich Müller) mit sich führte und ebenfalls vorher in dem Viertel gelebt hatte. Frau, zwei eigene und zwei Ziehkindern des Lovari waren ebenfalls am 2.März bei der Razzia festgenommen und in ein Lager gebracht worden. Eine der beiden deutschen Nichtzigeu-nerinnen, Maria R., hatte seit drei Monaten ein Verhältnis mit einem anderen Kelderari.[36] Bei der Kontrolle im Zug gaben sie an, Bombengeschädigte aus Krefeld und Köln zu sein. „Da die beiden Herren infolge ihres Gesichtsausdruckes und ihrer Aussprache den Verdacht von Ausländern bezw. Juden oder Zigeunern erweckten, und die mitführenden Ausweisdokumente sehr mangelhaft waren, wurde die ganze Reisegesellschaft zwecks eingehender Überprüfung am Bahnhof in Schwarzach auswaggoniert. Die beiden mitreisenden Fräuleins erweckten wegen ihres frechen Auftretens ebenfalls den Eindruck von Judenstämmigen.“[37] Da man bei Gestapo und Kripo in Köln bzw. Krefeld Nachforschungen anstellen wollten, gestanden die Reisenden und zeigten ihre richtigen Papiere. Sie gaben an, bei Verwandten einer der beiden deutschen Frauen in Völkermarkt (Kärnten) die vier Kinder unterbringen zu wollen. Ein V-Mann im Polizeigefängnis fand jedoch heraus, daß sie (zumindest die Zigeuner) eigentlich nach Ungarn fliehen wollten. Bei dem Aufenthalt auf dem Schwarzacher Bahnhof hatten Hilde S. und Maria R. Goldmünzen, die sie dabei hatten vor der Durchsuchung in der Wasserspülung der Damentoilette zu verstecken, was jedoch später aufflog. Wie das Zigeuner überhaupt, besonders aber auch die Kelderara gerne tun, hatten sie die nötigen Barschaften zum Teil in Goldmünzen verschiedener Provenienz angelegt. Dies wurde als Devisenvergehen und Verstoß gegen die Kriegswirtschaftsverordnung (am 4.9.1939 eingeführt) gewertet; und später eröffnete man ein Verfahren gegen Hilde S. und Joki. Am 8.April 1943 sind sie mittels Sammeltransports von Salzburg nach Köln zurückgeschickt worden. Joki D. kam ins Klingelpütz-Gefängnis, seine Frau in ein Kölner Frauengefängnis.

Am 13. April 1943 schrieb die Kölner Kriminalpolizeileitstelle an die Kriminalpolizeiabteilung in Krefeld, daß „...Demetri nicht in das KZ-Lager Auschwitz einzuweisen ist,“ wie die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ in Berlin entschieden hätte.[38] Hierbei wird offenbar auf die Deportationen vom März 1943 Bezug genommen, vor denen Joki D. ausgenommen war. Am 7. Mai 1943 schrieb dann jedoch jene „Reichszentrale“ an die Kripoleitstelle Köln: „Ich bitte, Jocki Demetri und die aus der Verbindung mit Hildegard S... hervorgegangenen 4 Kinder in das KL Auschwitz einzuweisen. Hildegard S... hat sich im Jahre 1942 bereit erklärt, alle später gegen Zigeuner getroffenen Maßnahmen auf sich zu nehmen, wenn ihr das weitere Zusammenleben mit Demetri gestattet wird. Falls sie nunmehr unterschriftlich und unwiderruflich um ihre gleichzeitige Einlieferung mit Demetri und den 4 Kindern in das Zigeunerlager ersucht, bestehen gegen die Einweisung der S... in das KL Auschwitz keine Bedenken.“[39] 

Dazu ist es aber offenbar nicht gekommen. Am 9. Juli 1943 ist Hilde S. aus dem Gefängnis entlassen worden und hat dann ihre Kinder gesucht, die sie während ihrer Haft bei ihrer Schwester Maria S. (* 1909 in Mönchengladbach) in Krefeld gelassen hatte; denn nach der Bombardierung Krefelds zu Pfingsten 1943 ist diese mit den Kindern nach Köln gereist und hat im Kleinen Griechenmarkt Unterkunft genommen, dort wo sie vorher gewohnt hatten. Maria S. lebte „in Zigeunerehe“ mit dem Lovari Josef Wernicke; sie hatten zusammen (mindestens) drei Kinder: Wilhelm S. (Ende Juni 1943 vier Jahre alt), Janosch S. (6 Jahre) und Inge S. (8 Jahre).[40]

Durch einen Fliegerangriff in der Nacht zum 29. Juni 1943 ist das Griechenmarktviertel zu 95 % zerstört worden, wobei Tausende von Toten zu beklagen waren.[41] Darunter waren auch die Schwester, ihre drei Kinder und die vier Kinder von Hilde S.; 423 Menschen kamen allein in dem öffentlichen Luftschutzkeller, in den sie geflüchtet waren, zu Tode.[42] Unter den Opfern waren übrigens auch mindestens zehn Sinti.[43] Diese Bombardierung Kölns, die eine der schlimmsten des Krieges war, hat offenbar auch das Gefängnis beschädigt oder zerstört, was die Ent-lassung von Joki Demetri zur Folge hatte. Übrigens sind bei der Bombardierung auch die Akten wegen des vorgeworfenen Devisenvergehens vernichtet worden, so daß man das Verfahren nicht weiter betrieb.

Am 13. August 1943 informierte die Kölner Kripo ihre Kollegen in Krefeld, daß man davon ausginge, daß Hilde S. und Joki in Kontakt stünden. Für Joki wäre die Verbringung nach Auschwitz (s.o.) vorgesehen (wenn man ihn wieder zu fassen bekäme), was man jedoch seiner Frau unter keinen Umständen mitteilen sollte. Man stellte jedoch gleichzeitig fest, daß „das Konzentrationslager Auschwitz zur Zeit für weitere Einweisungen geschlossen“ sei, weshalb noch über seinen weiteren Verbleib nach seiner Festnahme zu beschließen sein würde.[44] Hilde S. durfte zu ihren Eltern nach Neuss ziehen, wo sie aber offenbar, wie die Kriminalpolizei erst später feststellte, da sie nicht informiert worden war, nicht blieb, Sie fand zunächst bei der fahrenden Korbmacherfamilie B. Unterschlupf (Anfang 1944), verfolgt von den Behörden, die allerdings immer etwas zu spät an den Orten auftauchte, wo sie zuletzt gesichtet worden waren. Korbmacher – vermutlich teilweise oder hauptsächlich Jenische – konnten offenbar, soweit sie nicht als Zigeuner eingestuft oder als „Asoziale“ in ein Lager verbracht worden waren, während des Krieges noch weiter herumreisen. Hin und wieder boten sie Zigeunern, die auf der Flucht vor den Nazischergen waren, Unterschlupf-möglichkeiten, wie eben auch der Hilde S.[45]

Am 14. Januar 1944 schrieb die Kölner „Dienststelle für Zigeunerfragen“ an die gleichnamige Stelle in Düsseldorf, daß die beiden „wegen Auflageübertretung“ gesucht würden, weil sie ohne Genehmigung ihren Aufenthaltsort verlassen hatte. Da sich Hilde S. ihre Post postlagernd zur „Posthilfsstelle“ in Viersen-Bachert schicken ließ, wie aus einem Brief hervorging, den sie an einen Kölner Kelderari (aus dem Griechenmarktviertel) in einem Gefängnis in Düsseldorf geschrieben hatte (hatte schreiben lassen), waren dort die Düsseldorfer zuständig. Die Kölner fügten hinzu: „Ich weise besonders darauf hin, daß die S... und der Demetri alles versuchen werden, um sich der Festnahme zu entziehen. Besonders die S... ist eine heuchlerische, freche, verlogene Person. Sie wird sich auch festnehmen lassen, wenn sie dadurch dem Demetri die Freiheit erhalten kann.“[46] Hier stieß die Kölner Kripo also auf Widerstand; der Zusammenhalt der beiden angesichts der Bedrohung durch die Staatsmacht, war ihre Form des Widerstandes gegen das NS-Regime.

Im Spätsommer 1944 ist Hilde S. mit ihrem Mann Joki in einem Wohnwagen, als Korbmacher „getarnt“, umhergezogen – wahrscheinlich schon seit Monaten – offenbar in der Hoffnung, dadurch erneuten Nachstellungen durch die Behörden zu entgehen.

Am 8.8.1944 schrieb die Kriminalpolizeileitstelle Köln über Hilde S.: „Wie nachträglich festge-stellt worden ist, hat sie Neuß-Krimmlinghausen [Grimmlinghausen] verlassen und zieht etwa seit einem Jahre mit dem Jocki Demetri im Wohnwagen umher, ohne der KPL-Stelle Köln hiervon Kenntnis gegeben zu haben. Ihr asoziales Verhalten dürfte die Voraussetzung zur Einweisung in ein Konzentrationslager erfüllen.“[47] Die Einstufung als „Asoziale“ (auch bei Joki Demetri) war eine der ideologischen Begründungen der Nazis, um Menschen, die sich dem System nicht unterordnen wollten, in Arbeits- und andere Lager einzuweisen.[48]

Drei Tage zuvor waren Hilde S. und Joki D. vom „Gendarmerie-Gruppenposten Remagen der Ortspolizei in Sinzig“ festgenommen und am 8.August in das „Polizeihilfsgefängnis“ in Köln-Deutz eingeliefert worden. In der Festnahmeanzeige vom 5.8.1944 dazu hieß es: „D. zieht mit seiner Frau Hilde, geb. S..., mit einem Wohnwagen, der mit zwei Pferde [sic !] bespannt ist; ferner mit einer Ziege u. 9 Hunden, im Lande umher u. flicken angeblich Körbe, Material hierfür war nicht vorhanden. Einen Wandergewerbeschein besitzt er nicht. Er gibt an, er sei mit seiner Frau im Wandergewerbe seines Schwiegervaters eingetragen. Diese Angabe ist nicht zutreffend ... Demetri zieht nach Zigeunerart umher u. zwar ziel u. zwecklos. Pferde und Arbeitskraft könnten einem anderen Zweck zugeführt werden.“[49]

Am 18.8.1944 wurde Hilde S. „auf Grund ihres asozialen Verhaltens der Kriminalpolizei Düsseldorf zur losen Überwachung überwiesen.“[50] Joki D. sollte, nach einem Schreiben der Kriminalpolizeileitstelle Köln, mit dem nächsten Sammeltransport ins Konzentrationslager Natz-weiler (Elsaß) überführt werden; erwogen war wohl auch ein Einweisung ins KZ Auschwitz. Am 24.8.1944 ging der Transport los, doch offensichtlich nicht nach Natzweiler; denn das Hauptlager hatte man schon im Sommer 1944 begonnen, zu evakuieren, da die Aliierten näher rückten. Im September 1944 war die Verlegung der Häftlinge abgeschlossen.[51] Am 2.11.1944 schrieb die Kommandantur des Gefangenenlagers Rodgau (Lager II-Rollwald in Niederroden/ Hessen) an die Kripo Köln, daß Joki Demetri und ein anderer Gefangener, aus dem Straf-gefängnis Wittlich kommend, dort eingeliefert worden war, obwohl man sich dort nicht für „zuständig“ hielt und ihn „nicht länger hier halten“ könne. „Insbesondere bitte ich mir mitzu-teilen, in welches KZ.Lager ich die Schutzhäftlinge überstellen kann.[52] Wie es dann mit Joki und Hilde S. bis zur Befreiung Deutschlands weiterging, darüber enthalten die Akten nichts. Möglicher-weise ist Joki D. in eines der zahlreichen Außenstellen (-kommandos) des KZ Natzweiler in Süddeutschland verbracht worden, die dort noch existierten, als das Hauptlager schon aufgelöst war.

Das Ehepaar hat die Zeit des braunen Terrors jedoch überlebt; ihre jeweiligen Akten enthalten noch Vorgänge bis ins Jahre 1961. Nach dem Krieg haben sie sich – wie nicht wenige andere Zigeuner auch (der Grund dafür bliebe noch zu untersuchen) – in Krefeld angesiedelt. Für Joki Demetri ging der Kampf um die deutsche Staatsangehörigkeit weiter, die jedoch bis 1961 (vielleicht auch nie) nicht festgestellt werden konnte. In einer Aktennotiz der Kriminalpolizei Köln vom 17.8.1961 heiß es: „Weiter erschien er im Jahre 1959 persönlich beim Dienststellenleiter des Ed [Erkennungsdienst] und verlangte endlich eine derartige Bescheinigung. Zu seiner Unterstützung brachte er ein halbes Dutzend Stammesbrüder mit, u.a. auch den Zigeunerboß aus der Weidengasse – Wilhelm P... –. Eine Bescheinigung wurde ihm nicht ausgestellt. Ihm wurde damals erklärt, daß Auskünfte nur an amtliche Dienststellen auf deren Anfrage hin erteilt würden.[53]

 

 

Joki Demetri ist am 6.12.1990 im Alter von 82 Jahren gestorben und auf einem Krefelder Friedhof beerdigt worden. Sein Grab hat die typische Form vieler Kelderara-Gräber in Westdeutschland, jedoch nicht in dem sonst bevorzugten dunklen Farbton. Auf einer Seite des Grabsteins ist Platz für eine weitere Inschrift gelassen,[54] vermutlich für seine Frau, mit der er die Leiden des Naziterrors und der Kriegszeit geteilt hatte.

Ihr Leben und Leiden während der NS-Zeit könnte durchaus als Vorlage für einen Film dienen.

 

 

 

 

2. Ständig auf der Flucht: Karl „Rafflo“ Sattler

Oder: wie Rafflo zum „Schwerverbrecher“ wurde

 

Always on the Run: Karl „Rafflo“ Sattler

Or: How Rafflo Became a “Criminal”

 

Firarî Karl “Rafflo” Sattler

Veya: nasıl Rafflo “cani” oldu

 

 

Der Sinto Karl Sattler, mit Spitz- oder Zigeunernamen „Rafflo“ ist am 12.Mai 1908 in Kirchen-lamitz in Oberfranken geboren worden.[55] Sein Vater hieß ebenfalls Karl Sattler (geboren 1867 in Stafflangen bei Biberach/ Oberschwaben, gestorben ca. 1931), mit „romano lab“ (Zigeuner-namen) „Durländer“ – er arbeitete (u.a.) als Schirmflicker und Siebmacher – seine Mutter war Elisabeth oder Elise „Buslinka“ Herzenberger (geb. 1870 in Frieding/ Krs. Starnberg), die aber möglicherweise richtig Frosch hieß.[56]

Den Familiennamen Sattler haben allerdings auch Lovara (Roma) angenommen.[57] So ist der Lovari Karl Jaja Sattler aus Berlin in den 1920er/ 30er Jahren in der Zigeunerarbeit der Berliner Stadtmission ein bekannter raschai (Prediger) gewesen, wahrscheinlich der erste Lovara-Prediger, der auch Teile der Bibel in den Romanes-Dialekt seiner Leute übersetzt hat.[58]

Nun, die „ursprünglichen“ Sattler (unter den Zigeunern) waren offenbar Sinti, so eben auch Rafflo.

Zwischen den Weltkriegen scheinen viele Sinti, vor allem aus Württemberg und Bayern, Richtung Norden und Nordwesten, ins Rheinland gezogen zu sein. Diese Migration und die Sesshaftwerdung in Köln und anderen Orten des Rheinlandes sind ein eigenes, noch zu bearbeitendes Thema.

Ob nach den Regeln der gadsche (der Nicht-Zigeuner) Rafflo eigentlich Herzenberger geheißen haben müßte, weil seine Eltern möglicherweise nicht standesamtlich verheiratet waren, ist eine Frage, die das Polizeipräsidium in Stettin in einem Schreiben vom 24.5.1941 an die gleich-rangige Behörde in Köln aufwarf. Denn dort schien man festgestellt zu haben, daß ein Josef Sattler (geb. 1901 in Tattendorf/ Niederösterreich) eigentlich Herzenberger heißen müsste. Dieser hatte behauptet, daß Karl Sattler sein leiblicher Bruder (eigentlich wohl Halbbruder) wäre. Vermutlich hat er, aus der Vorstellung heraus, daß einerseits Familiennamen ohnehin nur für die gadsche von Bedeutung sind, andererseits der Familienname des Vaters, also Sattler, der wichtigere wäre (selbst wenn die Eltern nicht standes-amtlich verheiratet waren, sie aber den Zigeunern als verheiratet galten), nicht gedacht, in welche Komplikationen er seinen Bruder mit hineingezogen hatte. Bei den verschiedenen Zigeunergruppen stellt man immer wieder fest, daß der Familienname, unter denen man bei den gadsche registriert ist, nicht mehr ist als „Schall und Rauch“, d.h. man kann ihn gegebenenfalls auch durchaus mehrfach wechseln.

Rafflo Sattler hatte am 12.Juni 1933 vor dem Standesamt in Weddel (bei Braunschweig) Ida Eva Laubinger (geb. am 19.6.1901 in Weddel) geheiratet, die vermutlich Sintizza war. Zuvor waren ihnen schon zwei Kinder geboren worden, Asta (geb. am 6.2.1931 in Berlin) und Karl (geb. am 26.5.1933 in Celle).

Spätestens 1937 ist die Familie nach Aachen gezogen; denn dort ist Rafflo am 6.2.1937 vom Amtsgericht Aachen zu zwei Wochen Gefängnis wegen Gefangenenbefreiung verurteilt worden. „Befreiung aus Gefangenschaft“ sollte für die nächsten Jahre für ihn ein immer wiederkehrendes „Thema“ seines Lebens werden.

Am 31.5.1939 ist Rafflo Sattler mit seiner Familie in Aachen erkennungsdienstlich behandelt und als Zigeuner „erfaßt“ worden. Damals wohnten sie zusammen mit seiner Schwiegermutter Wilhelmine Laubinger, (geborene Weiss) in Aachen, Gasborn Nr.13. Die Kriminalpolizeistelle Aachen, die die Erfassung durchführte, war der Kriminalpolizeileitstelle Köln zu- bzw. unter-geordnet, d.h. sie mußte ihre Maßnahmen mit den Kölnern abstimmen.

Am 24.4.1940 teilten die Aachener der Kölner „Dienststelle für Zigeunerfragen“ mit, daß die Sattlers zunächst von Köln nach Düren verzogen wären. Von dort ist die Familie jedoch am 17.10.1940 nach Köln, Spulmannsgasse 72 verzogen. Von der Deportation von Zigeunern ins besetzte Polen („Generalgouvernement“) im Mai 1940 war die Familie offenbar nicht betroffen.

Über die nächsten zwei Jahre gibt Karl Sattlers Akte nur spärlich Auskunft. Im Juni 1941 war Rafflo bei der Firma Karl Schütz in der Follerstr.88 in der südlichen Kölner Altstadt beschäftigt. Eigentlich war er Musiker, doch war es in der Zeit schwierig, den Beruf auszuüben und eine Familie davon zu ernähren.

Am 28.3.1942 ist die Familie, die zuletzt in der Schemmergasse 4 im Kölner Griechenmarktviertel wohnte, nach Im Stavenhof 7 in der nördlichen Altstadt verzogen.

Offenbar hatte ihr früherer Aufenthalt in Düren damit zu tun, daß dort Verwandte von Rafflo’s Frau lebten; denn am 30.9.1942 bekam Rafflo die polizeiliche Erlaubnis, zur Beerdigung des Großvaters seiner Frau, Alfons Goussenthier, dorthin zu fahren. Zwecks „Regelung und in Ordnungbringung der Grabstelle“ des Verstorbenen konnte er am 25.11.1942 erneut nach Düren fahren. Die Freizügigkeit war zwar nach dem Festsetzungserlaß eingeschränkt, es wurde jedoch, wie es scheint ohne Probleme, die Erlaubnis zu Reisen an andere Orte Deutschlands gegeben, solange die Personen immer unter Kontrolle blieben.

Im August 1942 hatte Rafflo in Stettin eine Stelle als Erdarbeiter beim Straßen- und Gleisbau in Aussicht und das Angebot, dort mit seiner Familie bei seinem Halbbruder Josef wohnen zu können. Die Kölner „Dienststelle für Zigeunerfragen“ dazu am 4.1.1943: „Von hier werden gegen den Umzug der Familie Sattler nach Stettin keine Einwendungen erhoben. Es scheint sogar wegen der Wohnraumnot in Köln wünschenswert, wenn ihr die Genehmigung für den Zuzug in Stettin erteilt wird.“  Die Kölner, die offenbar gerne die Familie losgeworden wären, hatten jedoch die Rechnung ohne den Wirt bemacht; denn am 15.1.1943 wiesen die Stettiner Behörden das Ansinnen ab, ebenfalls mit Verweis auf den knappen Wohnraum bei den Verwandten als auch in der Stadt Stettin überhaupt.

Anfang 1943 war Rafflo in Köln, Unter Krahnenbäumen 1, wohnhaft, bevor er untertauchte, nachdem seine Frau und die beiden Kinder festgenommen worden waren und auch er mit seiner Festnahme rechnen mußte. Es war am 11.März 1943, als aus ganz Deutschland Zigeuner nach Auschwitz deportiert wurden.

Seine Frau ist im Hauptbuch des Zigeunerlagers als Ida-Eva Satler vermerkt; ihr Tod ist unter dem 23.4.1943, also gerade einmal sechs Wochen nach der Deportation eingetragen worden,[59] die Tochter, Asta Sattler, die die darauffolgende Häftlingsnummer (3628) trug, überlebte die Mutter um ein paar Monate; ihr Tod wurde unter dem 20.1.1944 verzeichnet.[60] Der Sohn Karl Sat(t)ler jun. entkam dem Vernichtungslager ebenfalls nicht; er ist am 23.3.1944 als verstorben eingetragen.[61] Die beiden 11 und 13jährigen Kinder haben also fast ein Jahr in der Hölle von Auschwitz gelebt.[62]

Wann Rafflo vom Tod seiner Familie erfahren hat, ist nicht bekannt. „Seit dieser Zeit hält er sich in Köln und im Rheinland ohne polizeiliche Meldung auf und zieht ziel- und planlos im Lande umher.“ So das 11.K. der Kripo Köln am 21.10.1944. Es scheint, daß es den Vor-stellungshorizont der Behörden, in diesem Fall des Kripo-Beamten Tron, überstieg, daß sich hier jemand auf der Flucht vor den Häschern befand, also durchaus keine ziel- und planlose Mobilität an den Tag legte.

Rafflo wurde im Deutschen Fahndungsbuch  (Nr.289, S.775) zur Festnahme ausgeschrieben.

Als Rafflo Sattler schon im Untergrund lebte, wurde von der „Rassenhygienischen und Bevöl-kerungs-biologischen Forschungsstelle beim Reichsgesundheitsamt“ am 10.5.1944 eine „gutachtliche Äußerung“ verfaßt, unterzeichnet (als Stempel) von Robert Ritter. Man sah ihn als „ZM (+)“ („Zigeunermischling mit überwiegend zigeunerischem Bluteinschlag“).

Im weiteren Verlauf des Jahres 1943 ist Rafflo’s Leben nicht „aktenkundig“ geworden. Am 3.4.1944 ist er dann Beamten des 14.Polizeireviers in Köln-Ehrenfeld in die Hände gefallen. In der Hansemannstraße war er mit einem Soldaten in Streit geraten, der ihm offenbar vorge-worfen hatte, sich der Wehrpflicht entzogen zu haben und ihn der Polizei vorführen wollte. Offenbar ließ man in Köln (vielleicht auch anderenorts) Gastwirtschaften durch Wehr-machtsstreifen kontrollieren,[63] was möglicherweise der Grund für die Auseinandersetzung war. Im Verlauf wurde dann ein „Diensthundeführer“ der Polizei von einem anderen Soldaten, der, dem Namen nach zu urteilen, wahrscheinlich ein Jenischer war, herbeigerufen. Rafflo ver-suchte zu flüchten, wurde jedoch von dem Polizeihund gestellt. Auf der Wache ging der Streit zwischen Sattler und den Soldaten weiter, so daß man ihn in ein anderes Zimmer brachte. Von dort flüchtete er jedoch. Die Kölner „Zigeunerbehörde“ schrieb am 6.4.1944 an das Kommando der Schutzpolizei: „Der vorgeführt gewesene Karl Sattler ... hält sich in Köln ohne polizeilich gemeldete Wohnung auf. Er wird von der Dienststelle für Zigeunerfragen wegen Einweisung in das Zigeunerlager Auschwitz, vom 8.K. wegen Kriegswirtschaftsvergehens ... und vom 14.K wegen Körperverletzung gesucht.“

Am gleichen Tag schrieb die nämliche Behörde an die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ und die „Außendienststelle Mönchengladbach der Kriminalpolizeileitstelle Düsseldorf“: „Er soll sich angeblich nach M.-Gladbach begeben haben, um dort bei Zigeunern oder nach Zigeunerart umherziehenden Personen, die in Wohnwagen wohnen sollen Unter-schlupf zu finden.“  Der Erkennungsdienst der Kripo in Mönchengladbach meldete zwar Fehl-anzeige, fügte jedoch hinzu: „Es könnte aber die Möglichkeit vorliegen, dass er sich bei den nach Zigeunerart umherziehenden Personen in Odenkirchen, Karlstraße pp. aufhält.“ Daraufhin die Kripo in Rheydt-Odenkirchen am 17.4.1944: „Nach den getroffenen Fest-stellungen hält Sattler sich bei den in Odenkirchen Karlstraße wohnenden Korbmachern nicht auf ... Nach einer vertraulichen Mitteilung soll Sattler sich in Köln Westbahnhof, im Wohnwagen bei einer unbekannten Frau und zwar eine geborene P... aus Krefeld, deren Mann Soldat ist, im Wohnwagen aufhalten.“ Die angesprochene Christine Antonie P. (geb. 1921 in Neuss) war eine Jenische.[64] Am Westbahnhof (Venloer Wall) war Rafflo jedoch nicht aufzu-spüren.

Etwa drei Monate später meldete der „Gendarmerie-Einzelposten“ Flerzheim (Landkreis Bonn) der Polizei in Rheinbach und der Kölner Kripo: „Am 28.7.1944 gegen 12  Uhr wurde in Peppenhoven der Wohnwagen von Hans B. kontrolliert. Bei dieser Kontrolle wurde ein Karl Sattler ... ermittelt. ... Er wurde auf seine Festnahme hingewiesen und begab sich in den Wohnwagen seinen Rock zu holen. Dabei nützte er die Gelegenheit aus und sprang an der Hintertür heraus und lief in das dicht dabei liegende Wäldchen.“ Rafflo war der Polizei das zweite Mal entwischt. Hans B. gehörte einer Artistenfamilie an, die einen Wandergewerbeschein besaß.

Im Zusammenhang damit findet sich ein nicht erklärlicher Aktenvermerk des 13.K der Kripo Köln vom 31.7.1944: „Sattler wird … wegen Entweichens aus dem KZ.-Lager gesucht.“ Bisher war nicht davon die Rede, daß Rafflo ebenfalls in einem Lager gewesen war.

Am 9.8.1944 verfaßte der „Meister der Gendarmerie“, Spitz, eine Aktennotiz, nach der sich Rafflo Sattler in Euskirchen aufgehalten und eine Nicht-Zigeunerin, Margarete St., beauftragt hatte, den Wohnwagen mit Pferd in Peppenhoven abzuholen. Dabei schien sie von der Gendarmerie beschattet worden zu sein. Der „Kriminalaussenposten“ Euskirchen gab am 17.8.1944 der Kriminalpolizeileitstelle Köln weitere Einzelheiten bekannt. Danach hatte Rafflo in Euskirchen verschiedentlich bei Frau St. gewohnt, die wiederum eine Schwester in Köln-Mülheim hatte. Diese Schwester muß wohl der Polizei verschiedene Tipps gegeben haben, u.a. daß er sich mit Margarete St. in einem Wohnwagen in (Köln-)Porz-Urbach aufhalten könnte, wie die Kriminalstelle in Mülheim am 30.8.1944 notierte. Ein Tag später schrieb daher die „Dienst-stelle für Zigeunerfragen“ an den Bürgermeister von Porz als Ortspolizeibehörde, nach Rafflo zu fahnden. Man sieht, halb Köln wurde gegen ihn mobil gemacht. Erst eine Woche später, am 7.9.1944, meldete der Außenposten Porz zurück: „Sattler konnte hier nicht ermittelt und festgenommen werden. Die Feststellungen ergaben, daß vor Eingang des Vorganges in Urbach 2 Tage ein Wohnwagen gestanden hat. Der Wohnwagen führte Körbe zum Verkauf an die Leute mit sich. Inzwischen war der Wohnwagen, der mit einem Schimmel bespannt gewesen sein soll, wieder weggefahren. Wo der Wohnwagen sich heute aufhält, oder in welcher Richtung derselbe fuhr, konnte nicht ermittelt werden.

So schrieb dann am 12.9.1944 das 11.K. an die „K III“[65] mit der Bitte um Veröffentlichung im poli-zeilichen Meldeblatt unter der Überschrift „Flüchtiger Zigeuner !“: „Es steht fest, daß S. bei nach Zigeunerart umherziehenden Korbmachern und Schirmflickern Unterschlupf findet und mit diesen umherzieht. … Umherziehende Korbmacher, Schirmflicker pp. Wohnwagen durch-suchen …“

Im Oktober 1944 ist Rafflo erneut bei der Kontrolle eines Wohnwagens in Gieleroth/ Krs. Altenkirchen Gendarmen in die Hände geraten. Der Wohnwagen gehörte wohl Maria Pfeil (geb. Q., geb. 1909 in Trier), die offenbar aus einer „fahrenden Familie“ stammte und möglicherweise mit Rafflo’s Halbbruder Josef Herzenberger, der „unerlaubterweise“ aus Stettin gekommen war, ein Kind hatte, das am 15.9.1944 geboren wurde und die Vornamen von Karl und Josef  trug.[66] Sie hatte seit 1934 mit dem Zigeuner (Sinto ?) Ludwig Rosch „in Zigeunerehe“ gelebt, mit dem sie fünf Kinder hatte, bevor dieser am 11.3.1943 ins Zigeunerlager nach Auschwitz deportiert wurde – höchstwahrscheinlich zusammen mit Karl Sattler jun., da sie aufeinan-derfolgende Häftlingsnummern trugen. Ludwig Rosch’s Tod ist dort am 23.9.1943 vermerkt worden.[67]

Rafflo wies zunächst einen Ausmusterungsschein vor, der auf einen anderen Namen lautete, bis man bei ihm einen Zigeunerausweis auf seinen Namen bei ihm fand. Den Ausmuste-rungsschein will er in Köln jemandem für 10 Reichsmark abgekauft und dann mit seinem Lichtbild versehen haben, womit er sich der Urkundenfälschung schuldig gemacht hatte. In der Festnahmeanzeige des „Gendarmeriegruppenpostens“ Altenkirchen an das Amtsgericht in Kirchen/ Sieg vom 11.10.1944 liest man u.a.: „Sattler … mußte dann aber doch zugeben, daß er … als Zigeunermischling seit einem Jahr flüchtig sei. … Seit der Festnahme seiner Frau und der 2 Kinder will er flüchtig sein. Es sei ihm bekannt, daß auch er festgenommen werden sollte. ... Er habe seine ihm zugewiesene Arbeitsstelle verlassen. Dadurch wurde er arbeits-vertragsbrüchig. Seit etwa einem Jahr befindet sich Sattler nun ohne Arbeit, ohne Wohnung, ohne pol. Meldung, landstreichend und obdachlos angeblich in der Umgebung von Köln. Seinen Lebensunterhalt will er durch Gelegenheitsarbeiten bestritten haben. … Bei Sattler handelt es sich um einen bewussten Rechtsbrecher der es fertig brachte mehr als ein Jahr verborgen zu leben.“

Am nächsten Tag sollte dann Rafflo Sattler dem Amtsgericht in Kirchen vorgeführt werden. Ein „Oberw(achtmeister) d(er) Sch(utz)p(olizei) d(er) Res(erve)“ kam ihn in aller Frühe vom Gefängnis der Gestapo Koblenz abzuholen: „Ich begab mich in die Wachstube, die sich in unmittelbarer Nähe der Ausgangstür zum Erdgeschoß befindet und nahm hier die Brieftasche und die Geldbörse des Sattler in Empfang. In diesem Moment ist der Sattler, der wie mir angegeben war, ein steifes Bein hatte und nur mit einem Stock gehen konnte, durch die nur angelehnte Flurtür über die Treppe in den Flur in das Erdgeschoss gesprungen und durch eine der beiden Ausgangstüren ins Freie gelangt. … Ich nahm sofort mit dem Gefange-nenaufseher die Verfolgung des Sattler auf … Gleichzeitig wurde ein Zug in Stärke von 30 Mann der hier liegenden SS-Panzereinheit Hohenstaufen mit zur Verfolgung des Sattler ein-gesetzt. Die Suche nach dem Sattler war aber trotzdem ohne Erfolg. Wie später durch Vernehmung von Zeugen festgestellt wurde, hatte der Sattler überhaupt kein steifes Bein und hat dieses nur vorgetäuscht.“

Rafflo war seinen Verfolgern somit zum dritten mal „durch die Lappen“ gegangen. In einem Schreiben vom 13.10.1944 versuchte sich der Gendarm für sein „Missgeschick“ zu recht-fertigen: „Bei dem Gefangenen handelt es sich um einen Schwerverbrecher, der am 10.10.44 in einem Wohnwagen bei fahrendem Volk in Gieleroth … aufgegriffen worden war. … Bei dem Festgenommenen handelt es sich um eine äußerst geschickte, gewandte Person. Obwohl er nicht schreiben und lesen konnte, verteidigte er sich in höflicher Form durch zwar verlogene aber treffende passende Antworten.“ Es ist klar, daß es ein empfindlicher Affront gegen einen Überwachungsstaat wie den der Nazis war, wenn sich ihm jemand mit Erfolg widersetzte; das wird auch aus Äußerungen wie den vorgenannten deutlich. So wurde also Rafflo zum „Schwerverbrecher“.

Am 21.10.1944 schrieb das 11.Kommissariat der Kölner Kripo (Kriminalinspektor Tron) an die „Kriminalvorortstelle“ in Ehrenfeld, das 16.Polizeirevier und das 13.K., mit dem Vermerk „Eilt“: „Der Zigeunermischling (+) Karl Sattler, … ist wegen verschiedener Straftaten und [sic !] Einweisung in ein Konzentrationslager festzunehmen. Er ist bereits dreimal festgenommen gewesen und ist jedes Mal wieder entlaufen. Zuletzt war er in dem Wohnwagen der geschiedenen Ehefrau Pfeil, … festgenommen worden. … Am 21.10.1944 ist er in Köln wieder gesehen worden. Nach einer vertraulichen Mitteilung will Sattler die Pfeil nach Köln-Ehrenfeld bringen, wo die Pfeil ihren Wohnwagen auf dem Takuplatz abstellen will. Das Gespann von zwei Pferden soll das Eigentum von Sattler sein. Mit den Pferden wird dann Sattler Köln verlassen. Ich bitte mit Rücksicht auf die schwierigen Verkehrsverhältnisse von dort alle Maß-nahmen zu treffen, um Sattler festzunehmen. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß Sattler Springer [sic !] ist und auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschreckt. Die Anwen-dung von Hand- und Fußfesseln sind angebracht, …“ 

Die verschiedentlich von der Polizei behauptete „Gewalttätigkeit“ findet sich allerdings in der Personalakte nirgendwo konkret ausgeführt.

Der Takuplatz ist bis heute Stellplatz für Schausteller und andere „Fahrende“. Hier wie auch schon vorher klingt an, daß die Polizei offenbar im „Milieu“ Informanten hatte, die „vertrauliche Mitteilungen“ weitergaben.

Am gleichen Tag wandte sich das 11.K. auch an das 15.K.: „Das Zigeunerlager in Auschwitz ist z.Zt. für weitere Einweisungen geschlossen. Ich bitte deshalb von dort die Einweisung in ein Konzentrationslager bei seiner Festnahme zu veranlassen.“ Man könnte aus dieser Äußerung schließen, daß dem Beamten das Zigeunerlager in Auschwitz nicht als ein Konzen-trationslager gegolten hat.

Drei Tage später meldete das 16.Polizeirevier, daß man auf den bekannten Wohnwagen-stellplätzen, insbesondere dem Takuplatz, weder von Rafflo Sattler noch von Maria Pfeil eine Spur gefunden hatte.

Die nächsten Monate hörte man nichts mehr von Rafflo, bis am 5.2.1945 ein Funkspruch der Kripo Münster die Kriminalpolizeileitstelle Köln erreichte, nach dem er dort festgenommen worden war. Drei Tage später vermerkte das K.III in Köln: „Da Einweisung in das Zigeunerlager Auschwitz unmöglich, bittet [sic !] Münster umgehend Nachricht, was geschehen soll. ... Da das Zigeunerlager Auschwitz für Einweisungen nicht mehr in Frage kommt, müsste Sattler in ein Konzentrationslager eingewiesen werden. Seine Einweisung kann aber nicht erfolgen, da nach einer Anordnung des RKPA. [Reichskriminalpolizeiamt] vom 16.9.1944 ... erst die Straf-verfahren erledigt sein müssen.“

Am 13.2.1945 vermeldete ein weiterer Funkspruch, daß Rafflo das dortige Polizeigefängnis „fluchtartig“ verlassen hätte. Er hatte somit ein viertes Mal den NS-Behörden eine Niederlage beigebracht.

Wie es mit ihm bis Kriegsende weiterging, darüber gibt seine Akte keine Auskunft. Jedenfalls hat er den Krieg überlebt. Am  25.5.1949 ließ sich Rafflo aus seiner Personalakte seinen Zigeu-nerausweis, Stammbuch, Geburtsurkunde und ein Lichtbild von ihm und der oben erwähnten Margarete St. aushändigen. Offenbar blieb er in Köln wohnen; im Jahre 1958 lebte er in der Jennerstr. in Ehrenfeld und betrieb einen Handel mit Textil- und Korbwaren.[68]

Der letzte Vorgang in seiner Akte datiert vom 27.10.1965 und betraf den Aktentransfer im Wiedergutmachungsverfahren[69] vor dem Landgericht Köln.

Noch heute hat der inzwischen verstorbene Rafflo Sattler im Kölner Raum mehr oder weniger entfernte Verwandte.

 

 

 

 

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<hier abgekürzt als: HStA DU>

            Bestand 2034 (Zigeuner-Personenakten der Kriminalpolizeileitstelle Köln):

            - Nr.59 (Personenakte für Zigeuner: Maria Pfeil)

            - Nr.87 (Personenakte für ledige Zigeuner: Hildegard S.)

            - Nr.683 (Personenakte für ledige Zigeuner: Christine P.)

            - Nr.730 (Personenakte für ledige Zigeuner: Hella Wernicke)

            - Nr.837 (Personenakte für ledige Zigeuner: Goki Demetri)

            - Nr.897 (Rosa Demetri)

            - Nr.1005 (Personenakte für ledige Zigeuner: Karl Sattler)

            - Nr.1130 (Personenakte für ledige Zigeuner: Josef Paul)

-           - Nr.VH. I 754 (Vorbeugehäftlinge, Männer: Adalbert Franz Paul)

            - Nr.VH I 1180 (Vorbeugehäftlinge, Männer: Josef Paul)

            - Nr.VH I 1269 (Vorbeugehäftlinge, Männer: Jocki Demetri)

             - Findbuch 217.05.5 (zum Bestand BR 2034)

            Bestand  1111 (Zigeunerakten der Kriminalpolizei Duisburg):

             - Nr.50 (Familie Seeger)

           Bestand  1131 (Polizeipräsidium Köln, Luftschutz):

             - Nr.7 (Luftangriffe 24.6.1943-29.8.1944)

             - Nr.88 (Liste der Toten, nach der massiven Bombardierung vom 29.06.1943)

             - Nr.90 (Schadensmeldungen, nach der Bombardierung vom 29.06.1943)

LESSING, Alfred:

            Mein Leben im Versteck

             Wie ein deutscher Sinti den Holocaust überlebte

            mit einem Vorwort von Günter Wallraff

            bearb. v. Andreas Schmid

            Düsseldorf 1993

LEWY, Guenter:

            „Rückkehr nicht erwünscht“

            Die Verfolgung der Zigeuner im Dritten Reich

            (a.d.Amerik.: The Nazi Persecution of the Gypsies, New York 2000)

            München/ Berlin 2001

METTBACH, Anna/

BEHRINGER, Josef:

            „Wer wird der nächste sein ? “

             Die Leidensgeschichte einer Sintezza, die Auschwitz überlebte

             „Ich will doch nur Gerechtigkeit“

             Wie den Sinti und Roma nach 1945 der Rechtsanspruch auf Entschädigung versagt wurde

            Frankfurt/ M. 1999

MICHALSKY-KNAK, Maria:

            Zigeuner – und was wir mit ihnen in Berlin erlebten

            hrsg. von der Berliner Stadtmission

            Berlin o.J. (1935)

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            Jaja Sattler and the Gypsies of Berlin

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             Zigeuner

             Der Weg eines Volkes in Deutschland

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            Eine Erkennungsdienstliche Kartei der Kriminalpolizeileitstelle Köln

           In: Harald Buhlan/ Werner Jung (Hrsg.): Wessen Freund und wessen Helfer? – Die Kölner          
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           Ausgegrenzt

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            Berlin 1999

ORTH, Karin:

            Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager

             Eine politische Organisationsgeschichte

            Hamburg 1999

PETTENBERG, Heinz:

            Starke Verbände im Anflug auf Köln

             Eine Kriegschronik in Tagebuchnotizen 1939-1945

            hrsg. v. Hella Reuter-Pettenberg

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             Die nationalsozialistische Sterilisationspolitik gegenüber Sinti und Roma

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ROSENBERG, Otto:

            Das Brennglas

            aufgezeichnet von Ulrich Enzensberger mit einem Vorwort von Klaus Schütz

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SCHERER, Klaus:

            „Asozial“ im Dritten Reich

             Die vergessenen Verfolgten

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            Nach Auschwitz wird alles besser

             Die Roma und Sinti in Deutschland

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             A Gypsy family remembers the Holocaust

            Hatfield 2002

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            Die Dienststelle für Zigeunerfragen bei der Kriminalpolizeileitstelle Köln

           In: Harald Buhlan/ Werner Jung (Hrsg.): Wessen Freund und wessen Helfer? – Die Kölner
           Polizei im Nationalsozialismus (Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln,
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           Köln 2000

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            60 Jahre

             Vergangen, verdrängt, vergessen ?

            Redaktion: Bertram Jenisch

            (Herbolzheimer Blätter, Bd.5)

            Herbolzheim 2003

STANKOWSKI, Martin:

            Der andere Stadtführer

            Bd.1

            Köln 1997 (7.Aufl., 1.Aufl. 1995)

State Museum of Auschwitz-Birkenau/

Documentary and Cultural Centre of German Sintis and Roms, Heidelberg (ed./ Hrsg.):

<abgekürzt als Memorial Book>

            Memorial Book - The Gypsies at Auschwitz-Birkenau/

            Gedenkbuch - die Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau

            München u.a. 1993 (2 Bde.)

STEINBACH, Peter:

            Widerstand von Sinti und Roma

             Zwischen Selbstbehauptung und Kampf

            In: Tribüne (Zeitschrift zum Verständnis des Judentums), 37.Jg., H.147 (1998), S.45 f.

            Frankfurt/ M.

STOJKA, Ceija:

            Wir leben im Verborgenen

             Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin

            hrsg. v. Karin Berger

            Wien 1988 (2.Auf1. 1989)

STOJKA, Ceija:

            Reisende auf dieser Welt

             Aus dem Leben einer Rom-Zigeunerin

            hrsg. v. Karin Berger

            Wien 1992

STOJKA, Karl/

POHANKA, Reinhard:

            Auf der ganzen Welt zu Hause

            Das Leben und Wandern des Zigeuners Karl Stojka

            Wien 1994

STOJKA, Mongo:

            Papierene Kinder

             Glück, Zerstörung und Neubeginn einer Roma-Familie in Österreich

            Wien 2000

TÖRNE, Anne von:

            Wiedergutmachung“ für Sinti und Roma – eine zweite Verfolgung ?

In: W.Dłuchoborski (Hrsg.): Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau 1943-44 – Vor dem Hintergrund ihrer Verfolgung unter der Naziherrschaft, S.378-395

            Oświęcim 1998

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            Einleitung: Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsaß und seine Außenkommandos     
            in Württemberg und Baden

            In: H.Vorländer (Hrsg.): Nationalsozialistische Konzentrationslager im Dienst der totalen
            Kriegsführung – Sieben  württembergische Außenkommandos des Konzentrationslagers  
            Natzweiler/ Elsaß, S.1-18

            (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg,    
            Reihe B, Forschungen, 91.Bd.)

            Stuttgart 1978

WILLEMS, Susanne:

            Anerkennung und Entschädigung von Sinti und Roma

            Vom Fortbestand rassistischer Ausgrenzung in Deutschland nach 1945

In: W.Dłuchoborski (Hrsg.): Sinti und Roma im KL Auschwitz-Birkenau 1943-44 – Vor dem Hintergrund ihrer Verfolgung unter der Naziherrschaft, S.366-377

            Oświęcim 1998

WINTER, Walter Stanoski:

            WinterZeit

             Erinnerungen eines deutschen Sinto, der Auschwitz überlebt hat

            hrsg. v. Thomas W.Neumann/ Michael Zimmermann

            Hamburg 1999

ZIMMERMANN, Michael:

            Verfolgt, vertrieben, vernichtet

             Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma

            Essen 1993 (2.Aufl.)

ZIMMERMANN, Michael:

            Rassenutopie und Genozid

             Die nationalsozialistische „Lösung der Zigeunerfrage“

            (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd.33)

            Hamburg 1996 

 

 

Farbfoto und Texte

© Rüdiger Benninghaus

Seite fertiggestellt am

25. Januar 2005

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25. Mai 2006

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20. Mai 2021

             

 

 

 

 

 

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Anmerkungen:

 

 



[1] Da es offenbar als ein „Muß“ angesehen wird, daß man sich für die Verwendung des Begriffs „Zigeuner“ rechtfertigt oder andernfalls einer (falschen) politischen Korrektheit frönt, sei hier auf eine Internetseite des Verfassers verwiesen, die einige Argumente für den weiteren Gebrauch der jahrhundertealten Bezeichnung zusammenfaßt: http://www.rbenninghaus.de/zigeuner-begriff.htm.

[2] Die verschiedenen regionalen und lokalen Studien hier aufzuführen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen; an übergreifenden Studien seien hier erwähnt: DÖRING 1964; ZIMMERMANN, 1989 und 1996; LEWY 2001; ROSE 2003; FINGS/ SPARING 2005. M.Zimmermann und G.Lewy haben auch einige der Akten des Bestandes BR 2034 im HStA Duisburg, aber wohl nicht alle, durchgesehen; K. Fings und F. Sparing behaupten hingegen, alle diese Akten gesehen zu haben.

[3] Z.B. JOKISCH 1981; FRANZ 1985; KRAUSNICK 1988; RENNER 1988; LESSING 1993; FIRZLAFF 1998; ROSENBERG 1998; DÖPPERT/ REINHARDT 1999; METTBACH/ BEHRINGER 1999; MÜLLER 1999; WINTER 1999; KRAUSNICK 2001; SONNEMANN 2002; Stadt Herbolzheim u.a. 2003; HANSTEIN 2005. Verschiedene Artikel sollen hier außer acht gelassen werden, um den Rahmen nicht zu sprengen.

[4] Z.B. C.STOJKA 1988 und 1992; K.STOJKA/ POHANKA 1994; M.STOJKA 2000.

[5] Ein kurzer Hinweis zu dem Thema stellt der Aufsatz von STEINBACH 1998 dar.

[6] Es sind nicht von allen Kriminalpolizeileitstellen Zigeunerpersonalakten erhalten geblieben. Nur in drei Staatsarchiven (Potsdam, Magdeburg und Düsseldorf) finden sich diese Akten (LEWY 2001, S.9). Über die Magdeburger Akten siehe auch: MODE/ WÖLFFLING 1968, S.171-200;  GILSENBACH 2000, S.128-131. Ob die im Hamburger Staatsarchiv vorhandenen „Landfahrerakten“ (siehe: SEIBERT 1984, S.93-101) zumindest zum Teil den gleichen Charakter wie die Zigeunerpersonalakten haben, ist dem Verfasser nicht bekannt.

[7] Über die „Migrationsgeschichte“ dieses Aktenbestandes siehe FINGS/ SPARING 1993 und 1995, S.192-194. Von den ca. 1876 Akten dieses Bestandes sind ca. 814 Zigeunern zugeordnet, ca. 545 Vorgänge betreffen männliche und ca. 145 weibliche Vorbeugungshäftlinge, unter denen ebenfalls einige Zigeuner zu finden sind (Findbuch 217.05.05). Eine Ergänzung zu diesem Bestand stellen die von dem lt. Kriminaldirektor a.D. der Kölner Polizei, Walter Volmer, im Keller des Polizeipräsidiums gefundenen und ausgewerteten Erkennungsdienstlichen Karteien von erfaßten Personen, die verstorben sind, dar (MÜLLER/ VOLMER 2000). Diese Karteikarten sind wohl mittlerweile dem HStA Duisburg übergeben worden. Joki Demetri ist darin ebensowenig enthalten wie seine Lebensgefährtin Hildegard S.; allerdings finden sich dort zwei der Kinder der beiden.

[8] HStA DU, BR 2034, Nr.837 und Nr. Nr.VH I 1269 (Joki Demetri), Nr.87 (Hildegard S.) und Nr.897 (Rosa Demetri). Möglicherweise noch im Bundesarchiv in Potsdam vorhandenes Material konnte für diesen Aufsatz nicht herangezogen werden.

[9] Eine Familie mit ähnlichem Familiennamen (Demestre), die z.B. auch im Kölner Raum lebt, gehört ebenfalls zu den Tschurara, die insgesamt in Deutschland nicht sehr zahlreich sind. Die große Familie Demeter hingegen scheint zu den Kelderara zu gehören. Die NS-Rasseforscher haben offenbar die Tschurara ignoriert bzw. nicht gekannt und dazu gehörige Familien wohl zu den Kelderara gerechnet.

[10] Gutachten vom 29.8.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.837).

[11] Auf den für Lovara und Kelderara gemeinsamen Vordruck tragen die Gutachten für die Lovara einen zusätzlichen Stempel mit dem Inhalt: „Obige(r) ‚Róm-Zigeuner(in)’ gehört einem Händlerschlag an, welcher bestimmte Merkmale mit den Juden gemeinsam hat.“  Wenngleich die Lovara traditionell meist Pferde-händler waren, dürften ihnen die Kelderara, auch wenn sie ursprünglich Kesselschmiede waren, als Händler kaum nachstehen. Auch insofern ist die ohnehin generalisierende Bemerkung des Ritter-Instituts nicht sonderlich erhellend. 

[12] Über dieses Institut ist viel geschrieben worden, u.a. in: DÖRING 1964, S.67 ff.; KROKOWSKI 1994; ROSE 2003, S.33 ff. Krokowski hatte ihre (unveröffentlichte) Magisterarbeit über dieses Institut geschrieben: „Die Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle am Reichsgesundheits-amt (1936-1945) unter besonderer Berücksichtigung von Sinti und Roma“ (Univ. Hannover 1992). Über Robert Ritter und seine Mitarbeiter siehe darüber hinaus HOHMANN 1991.

[13] HOHMANN 1991, S.362 f. Die balkanischen Zigeuner sind wohl meist aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien gekommen.

[14] Im Deutschen Lodsch (im Polnischen Wudsch) ausgesprochen und teilweise so in den Aktenstücken geschrieben; Litzmannstadt ist die frühere deutsche Bezeichnung für die Stadt.

[15] Ihre Eltern waren Batist („Surka“) Demetri und Maria („Mara“) Demetri, laut der „Rassediagnose“ für Rosa Demetri vom 29.8.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.897). Um die Zeit lebte sie mit dem Nichtzigeuner Johann K. zusammen.

[16] Siehe auch DÖRING 1964, S.96.

[17] Das Hauptbuch des Zigeunerlagers des KZ Auschwitz-Birkenau verzeichnet zwei Kaikonis mit Geburts-orten: Hamburg und Hademarschen. Herr H.Gosmann teilte freundlicherweise die Eintragung aus dem katholischen Taufregister von Bramsche-Malgarten mit, nach der ein Johannes Kaikoni, geb. am 17.12.1899 in Alfhausen, wenige Tage später in Bramsche getauft wurde. Seine Eltern waren der „Zigeuner und Kessel-flicker“ Michael Kaikoni und Barbara Kaikoni, geb. Kola. Eine Karolina Kolla führt DILLMANN (1905, S.120) als „angeblich“ aus Hamburg stammend auf. Allerdings findet man in einer Liste von in München enteigneten Personen bzw. Familien auch vier Kaikoni(e)s (http://www.unibw-muenchen.de/campus/Film/beschl.htm - nicht mehr online).

Der Zweite Weltkrieg hat die vorherige Wanderungen der einzelnen Zigeuner-Sippen in bestimmten Gebieten – soweit man diese überhaupt einigermaßen umreißen kann (RITTER 1941, S.487-489, hat das grob versucht) – durch neue Grenzziehungen, die physische Vernichtung der Familien und die teilweise Zerstörung der traditionellen Kulturen mehr oder weniger beendet. Gräber von Angehörigen der Kaikoni-Sippe hat der Verfasser auf Friedhöf in Mönchengladbach und Neumünster gefunden.

[18] Angehörige einer Jenischen-Familie in Köln mit ähnlichem Namen hat sich in neuerer Zeit verschiedentlich mit Kelderara verheiratet und auch deren Sprache gelernt.

[19] Eine hin und wieder von ihr geleistete Unterschrift widerspricht nicht unbedingt der Annahme ihres Anal-phabetismus; manche Analphabeten haben es gelernt, zumindest ihren Namen zu schreiben.

[20] HStA DU, BR 2034, Nr.87.

[21] Ein Beamter des 15.K. am 20.7.1942 in der Begründung der Anordnung der polizeilichen Vorbeugungshaft für Adalbert Franz Paul (HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 754).

[22] Siehe u.a. DÖRING 1964, S.86 ff.; ZIMMERMANN 1993, S.43 f. und 1996, S.169 f.; LEWY 2001, S.119-123.

[23] Joki D. unterzeichnete (mit drei Kreuzen) am 26.1.1940 und Hildegard S. offenbar am 20.11.1941 entsprechende Verpflichtungserklärungen. In dem Vordruck heißt es u.a.: „Mir ist heute eröffnet worden, dass ich und meine Angehörigen meinen Wohnsitz oder jetzigen Aufenthaltsort bis auf weiteres nicht verlassen darf und dass ich im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung in ein [sic !] Konzentrationslager untergebracht werde.“ (in den jeweiligen Akten der beiden: HStA D, BR 2034, Nr.87 und 837).

[24] HStA DU, BR 2034, Nr.730. Heinrich S., der Händler war, und Hella Wernicke konnten aufgrund fehlender Geburtsurkunde von H.Wernicke ebenfalls nicht standesamtlich heiraten und wurden später unter Androhung von KZ-Haft polizeilich getrennt. Wären ihre drei gemeinsamen Kinder nicht früh gestorben, hätten sie wahrscheinlich zusammenbleiben können. Beide wären zu einer Sterilisation bereit gewesen, um zusammenbleiben zu können. Doch wurde das von der Kölner „Dienstelle für Zigeunerfragen“ abgelehnt. Am 26.10.1942 ist Hella Wernicke als „Asoziale“ in „polizeiliche Vorbeugehaft“ genommen und dann ins KZ Ravensbrück überführt worden. Auch die Schwester von Heinrich und Hildegard S., Maria, lebte mit einem Zigeuner zusammen.

[25] Über diese erste Deportationswelle von Zigeunern siehe u.a. ZIMMERMANN 1993, S.45-48 und 1996, S.172-184; CORBACH 1999, S.82; LEWY 2001, S.124-142.

[26] HStA DU, BR 2034, Nr.837. Zum Thema der Denunziation existiert eine auf Köln bezogene Publikation: DÖRDELMANN 1997.

[27] Am gleichen Datum ist ein “inländischer Zigeuner“ (ein Sinto offenbar) vom Kleinen Griechenmarkt 43 nach Polen deportiert worden, was möglicherweise den Umzug von Joki Demetri veranlaßt haben mag, obgleich ihn das natürlich nicht davor geschützt hätte, ebenfalls deportiert zu werden. Wie bereits erwähnt, sind etwa fünf Monate vorher (um den 16. bzw. 21.5.1940) schon zahlreiche Sinti und Roma aus dem gleichen Viertel und anderen Teilen Kölns und Deutschlands ins „Generalgouvernement“ „umgesiedelt“ worden.

[28] Schreiben der Firma Seybold GmbH an das Arbeitsamt Köln vom 4.1.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 754).

[29] Das 11.Kommissariat ist ab 1942 ausschließlich als „Dienststelle für Zigeunerfragen” tätig gewesen (SPARING 2000, S.524).

[30] HStA DU, BR 2034, Nr.837.

[31] HStA DU, BR 2034, Nr.87.

[32] Zum Problem der Zwangssterilisation in der NS-Zeit siehe BOCK 1986.

[33] Memorial Book, Bd.1 (1993), S.132 (im Original S.107 f.). Als Staatsangehörigkeit ist dort Deutsches Reich, als Beruf Arbeiterin angegeben. Nach dem Kriege (1955 und 1957) wurde bei der Kölner Polizei nach einer Bescheinigung über den Tod von Rosa Demetri im KL Auschwitz nachgesucht, die diese jedoch nicht geben konnte, da die Personalakte über ihren Tod keine Eintragung enthielt (HStA DU, BR 2034, Nr.897).

[34] Memorial Book, Bd.1 (1993), S.270 f. (im Original S.245 f.) und Bd.2, S.740 f. (im Original S.6).

[35] DILLMANN 1905, S.87.

[36] HStA DU, BR 2034, Nr.1130. Sie wurde übrigens auch ein Opfer der Bombardierung vom 29.6.1943 (HStA DU, BR 1131, Nr.88).

[37] Bericht des Beamten der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Salzburg (Kriegsfahndungsdienst) vom 8.3.1943 (HStA DU, BR 2034, Nr.837).

[38] HStA DU, BR 2034, Nr.837.

[39] HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 1269.

[40] HStA DU, BR 1131, Nr.88 (die Nummern 2887-2890 der Totenliste).

[41] ASSENMACHER/ NIPPER 2001, S.154. Einen Augenzeugenbericht der Zerstörung gibt PETTENBERG 1985, S.162-168. Man sprach von 12.000 zivilen Toten. Eine detaillierte Auflistung der Gebäudeschäden enthält die Akte BR 1131, Nr.90 im HStA DU. Summarisch wird hier auch die Zahl der Toten und Verwun-deten (für ganz Köln) angegeben. Demnach war die Zahl der Getöteten jedoch niedriger, nach einer ersten Zusammenstellung: 578 Männer, 1.045 Frauen und 318 Kinder identifizierter Zivilisten deutscher Nationa-lität, 893 (zunächst) unbekannte Leichen, 2 „fremdvölkische Arbeiter“ und 25 Uniformierte (Polizeireserve, Luftschutzpolizei, Wehrmachtsangehörige); daneben 1264 Verwundete. Eine andere (spätere ?) Statistik spricht von 1.812 Toten innerhalb und 1.648 außerhalb des Luftschutzraumes, 1.500 Verwundeten innerhalb und 3.500 außerhalb des LS-Raumes. 230.000 Personen seien obdachlos geworden (HStA DU, Bestand BR 1131, Nr.7).

[42] Erklärung von Hilde S. vor der Kölner Kripo am 23.7.1943 (HStA DU, BR 2034, Nr.87). In der ED-Kartei (siehe Anm.5) sind nur die Karteikarten von zweien der Kinder erhalten, auf denen ihr Tod vermerkt worden ist.

[43] HASt K, Acc.606, Nr.12, Bl.17 f. und Nr.21. 

[44] HStA DU, BR 2034, Nr.837.

[45] HStA DU, BR 2034, Nr.837. Auch den ebenfalls vor den Nazis auf der Flucht befindlichen Karl Sattler hat die Polizei im April 1944 bei Korbmachern im Mönchengladbacher Raum vermutet und im September 1944 bei fahrenden Korbmachern in (Köln-) Porz-Urbach (HStA DU, BR 2034, Nr.1005). Die Schaustellertochter Erika Seeger, die sich von ihrer im Mai 1940 nach Polen „umgesiedelten“ Familien getrennt hatte und in ihre Heimatstadt Duisburg zurückgekehrt war, ist im Herbst 1941 über vier Monate mit ihr fremden (?) Korbmachern in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet herumgereist (HStA DU, BR 1111, Nr.50).

[46] HStA D, BR 2034, Nr.837. In dem Brief an den Kelderari (dessen Vater Nichtzigeuner, allerdings ein „Fahrender“ war) Josef Paul, der von Köln ins KL Natzweiler überführt werden sollte (siehe auch: HStA DU, BR 2034, Nr.1130 und Nr.VH I 1180), schrieb Hilde S., daß dessen Vater in Auschwitz wäre. Auch geht aus dem Brief hervor, daß Joki Demetri offenbar nur wenige Verwandte in der Gegend hatte („Binn gestern gewar geworden das du nach Düsseldorf bist du kans dir ja denken wie Ich mir gefreüht habe zu hören das doch noch einer da ist wir haben gedacht das wir nur noch alleine da wären Jocki und ich. ... hoffentlich komst du noch gesund wider das Jocki auch noch jemant hat.“ [sic !] Josef Paul’s Mutter, Katharina Paul, deren Geburtsname mit Gottschaum (geb. 1879 in Straßburg) wiedergegeben ist (wie immer sie an den Namen gekommen sein mag), war eine Schwester von Rosa Demetri. Josef Paul und Joki Demetri waren also Vettern (nach dem „erb- und lebensgeschichtlichen Fragebogen“ vom 15.7.1942 von Adalbert Franz Paul, dem Bruder von Josef Paul; HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 754).

[47] HStA DU, BR 2034, Nr.87.

[48] Zum Thema der Verfolgung als „Asoziale“ abgestempelter Personen im sogenannten Dritten Reich siehe u.a.: SCHERER 1990 und AYASS 1995.

[49] HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 1269.

[50] HStA DU, BR 2034, Nr.87.

[51] VORLÄNDER 1978, S.9; KIRSTEIN 1992, 33; ORTH 1999. S.272.

[52] HStA DU, BR 2034, Nr. VH I 1269.

[53] HStA DU, BR 2034, Nr.837.

[54] So der Stand im September 2002.

[55] Wenn nicht anders vermerkt, folgt die Darstellung den Informationen aus der „Personalakte der Zigeunerfamilie“ des Bestandes BR 2034, Nr.1005 (Karl Sattler) im HStA D.

[56] Den Eltern von Rafflo Sattler ist bei DILLMANN (1905, S.231 f.) eine ganze Seite gewidmet.

[57] Daß die Lovara und andere Roma teilweise die Namen deutscher Sinti übernommen haben, ist nicht eine „fixe Idee“ der NS-Behörden (siehe z.B. JUSTIN 1943, S.21; RITTER 1941, S.489), sondern eine historische Tatsache.

[58] MISKOW 1931; MICHALSKY-KNAK 1935; ARNOLD 1965, S.173 (Anm.) und S.180 (Foto); GILSEN-BACH 1993, S.300-303, ZIMMERMANN 1996, S.59 f. Jaja Sattler ist 1902 geboren und hat das KL Auschwitz nicht überlebt.

[59] Memorial Book, Bd.1, S.258 f. (im Original S.233 f.).

[60] Memorial Book, Bd.1, S.260 f. (im Original S.235 f.).

[61] Memorial Book, Bd.2, S.918 f. (im Original S.95).

[62] Über verschiedene Aspekte der Deportation nach Auschwitz und die Situation im Lager siehe den Sammelband von DŁUGOBORSKI 1998.

[63] HStA DU, BR 2034, Nr.VH. I 754 (aus dem “Kriminellen Lebenslauf” von Adalbert Franz P. vom 15.7.1942).

[64] Da sie zunächst auch als Zigeunerin angesehen wurde, hatte sie ebenfalls eine „Personalakte für ledige Zigeuner“ (HStA DU, BR 2034, Nr.683). Sie war zeitweilig (1939) ebenfalls in Odenkirchen, Karlstr.7 gemeldet.

[65] Offenbar ist hier die III.Kriminalinspektion, der u.a. die „Dienststelle für Zigeunerfragen“ innerhalb des 11.K. angegliedert war, gemeint (SPARING 2000, S.524).

[66] Ihr Vater war Korbmacher und stammte aus Niederweiler im Hunsrück, wo vor allem Jenische bzw. ihnen nahestehende Hüttenleute lebten (HStA DU, BR 2034, Nr.59; ARNOLD 1964, S.62 f.).

[67] Memorial Book, Bd.2, S.918 f. (im Original S.95); HStA DU, BR 2034, Nr.59.

[68] Amtsblatt für den Regierungsbezirk Köln, 138.Jg., Nr.30 vom 8.8.1958, S.352 f., wo der Verlust seines Wandergewerbescheins öffentlich bekannt gemacht wurde.

[69] Über die Probleme, die Zigeuner nach dem Krieg mit der „Wiedergutmachung“ nach dem Bundesent-schädigungsgesetz (BEG) vom 29.Juni 1956 hatten, siehe: CALVELLI-ADORNO 1961; HUDEMANN 1998; TÖRNE 1998; WILLEMS 1998.