Verfolgung und Widerstand von Zigeunern in Köln während des Nationalsozialismus Persecution and Resistance of
Gypsies in Cologne under
Nationalsocialism Nazi Almanya’sında Köln
Çingeneler’ine yapılan zulüm ve
onların direnişi 1. Das Leben des Joki Demetri und seiner Familie in der
NS-Zeit The
Life of Joki Demetri and His Family during
the Nazi Era Joki Demetri ve ailesinin Nazi zamanındaki hayatı Rüdiger
Benninghaus |
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Verschiedene Bücher und Artikel behandeln die
Verfolgung der Zigeuner[1] während der braunen
Zeit,[2] einige auch das Schicksal
einzelner Zigeuner bzw. Familien (sowohl von Sinti[3] als auch von Roma[4]) – insgesamt nicht
sehr viele, etwa verglichen mit Biographien und Autobiographien jüdischer
Opfer der NS-Terrorherrschaft. Während der Widerstand verschiedener Kreise
gegen das NS-Regime breite Bearbeitung gefunden hat – sicherlich nicht
zuletzt auch aus politisch-moralischen Beweggründen – wird man über den
Widerstand, die Selbstbehauptung von Zigeunern ebenfalls nur wenig lesen
können.[5] Aus den „Zigeunerpersonenakten“,[6] die bis 1989 –
zeitweise verleugnet[7] – im Kölner
Polizeipräsidium lagerten und dann in das Hauptstaatsarchiv (Landesarchiv)
NRW in Düsseldorf gelangten, wird in diesem Aufsatz versucht, soweit möglich,
einen Abschnitt im Leben des Joki Demetri, eines Rom(-Zigeuners) vom „Stamm“
der Kelderara (auch: Kalderascha) nachzuzeichnen. Zwei der vier Akten[8], nämlich die von
Joki, sind umfangreicher als die
meisten anderen des gleichen Bestandes, auch ist es eher die Ausnahme, daß
zwei Akten für die gleiche Person existieren; ihr Studium läßt darüber hinaus
den Gedanken aufkommen, daß es sich hier wohl nicht um einen ganz
gewöhnlichen „Fall“ handelt, man also nicht unbedingt von einem
„exemplarischen“ Schicksal eines NS-Verfolgten sprechen kann. Aufgrund der
Quellenlage mußte die Darstellung weitgehend aus der Sicht bzw. den
schriftlichen Hinterlassenschaften der Verfolger, der Behörden, geschehen. Joki Demetri’s Vater gehörte zu den Kelderara;
ob die Mutter auch dazu oder zur sprachlich und kulturell verwandten,
manchmal auch als Untergruppe der Kelderara angesehenen Gruppe der Tschurara[9] gehörte, konnte nicht
abschließend beantwortet werden. Die NS-Rasseforscher haben Joki jedenfalls
als „Gelderari“ eingestuft;[10] in der
„Rassendiagnose“ der „Rassen-hygienischen und Bevölkerungsbiologischen
Forschungsstelle beim Reichsgesundheitsamt“, die von dem Mediziner Robert
Ritter geleitet wurde, heißt es in der Klassifizierung auf dem Vordruck:
„Zigeuner („Róm“ aus Ungarn)“, was ebenfalls für die Roma-Gruppe der Lovara[11] verwendet wurde. Das
Gutachtenblatt trägt darüber hinaus jedoch als „Konkretisierung“ in roter
Farbe den Stempel: „Die Gelderari-Zigeuner gehören zu dem großen Stamm der
Róm-Zigeuner. Sie stammen von Kesselflickerfamilien aus dem Balkan ab und
unterscheiden sich von den übrigen Róm-Zigeunern durch besonders urtümliche
Rassenmerkmale.“ Lovara und Kelderara waren zu jener Zeit die
beiden Hauptgruppen der Roma in Deutschland. Verstärkt eingewandert sind sie
etwa ab den 1860/70er Jahren aus Ost- bzw. Südosteuropa. Zur NS-Zeit sollen
von den durch die „Rassenhygienischen und Bevölkerungsbiologischen
Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes“[12] „begutachteten“
18.922 Zigeunern in Deutschland 1.585 „Róm-Zigeuner (Ungarische Zigeuner)“
und 211 „Balkanische Zigeuner (Kelderari und Bärenführer)“ gewesen sein,[13] was bedeutet, daß die
Kelderara offenbar in der Statistik unter beiden Gruppen auftauchen.
Natürlich sind weder alle Lovara noch alle Kelderara (auch wenn sie im
Gutachten als „Róm-Zigeuner aus Ungarn“ erscheinen) aus Ungarn nach
Deutschland gekommen, wie es die Gutachten recht stereotyp darstellen. Es wird angenommen, daß Joki – in den Akten
manchmal auch als Jocki oder Goki verzeichnet – am 27.Dezember 1908 in
Łódź[14] in Zentral-Polen (in
den Akten nach dem Überfall der Deutschen auf Polen auch: „früher Polen“)
geboren ist. Dies darf man nun wohl nicht so auffassen, daß Łódź
seine Heimatstadt oder die seiner Eltern war. Es war höchst-wahrscheinlich
nicht mehr als ein Zufall, daß Joki dort geboren wurde, auf Reisen eben,
zumal seine Mutter, Rosa Demetri am 10.Mai 1882 in Wien das Licht der Welt
erblickt hatte.[15] Seinen Vater, Seriga
Kaikoni (Joschka mit Zigeunernamen) hat Joki kaum oder gar nicht
kennengelernt, da er früh verstorben ist; so enthalten die Akten auch keine
Lebensdaten über ihn. Die Eltern waren, wie auch heute noch unter Zigeunern
häufig anzutreffen, nicht standesamtlich oder kirchlich getraut, sondern
lebten in „Zigeunerehe“ oder „nach Zigeunerart“ zusammen, wie es damals hieß.
Immerhin war von den Behörden diese Art der Partnerschaft als eine der Ehe
vergleichbare Institution der Volksgruppe(n) der Zigeuner wohl mehr oder
weniger als Realität akzeptiert, besonders wenn aus ihr Kinder hervorgegangen
waren.[16] Die Kaikonis scheinen, was Deutschland betrifft,
hauptsächlich seinen nördlichen und mittleren Teil bereist zu haben, wie man
den biographischen Daten einzelner Träger dieses Familien-namens, deren der
Verfasser „habhaft“ werden konnte, entnehmen kann.[17] Zwar hat man teilweise unbesehen die Konfession von Joki als
römisch-katholisch ange-nommen, doch ist aus irgend einem Grunde ein
Schreiben der „Dienststelle für Zigeunerfragen“ bei der
Kriminalpolizeileitstelle Köln an das „Standesamt in Lodsch“ von der
„Russisch-Ukrainischen Orthodoxengemeinde“ in Lodsch (am 21.3.1940)
beantwortet worden, also nicht von einer städtischen oder katholischen
Institution. Diese Kleinigkeit mag vielleicht gar nicht unwichtig sein.
Während die heute in Deutschland lebenden „deutschen Roma“, die Kaikonis und
Demetri’s eingeschlossen, wohl bis in jüngste Zeit und teilweise immer noch
römisch-katholisch waren/ sind und erst in den letzten Jahren durch gezielte
Missionierung vor allem von Pfingstlergemeinden in größerer Zahl zu
Freikirchlern geworden sind, könnte hier eine Beziehung zur orthodoxen
Konfession angedeutet sein, d.h. ein möglicherweise längeres Verweilen in
Gebieten mit einer mehrheitlich russisch-orthodoxen (oder vielleicht auch
rumänisch-orthodoxen ?) Bevölkerung. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, daß
ein Religions- oder Konfessionswechsel bei Zigeunern recht schnell vonstatten
geht. Während Joki anfangs noch als
„Reichsdeutscher“ galt, sah man ihn später als Staatenlosen an. Eine Schule
hat er nicht besucht, weshalb er Analphabet geblieben ist. Sein Vater war Händler, vermutlich
hauptsächlich mit Pferden; denn nach seinem Tode ist Joki zunächst mit seiner
Mutter – Geschwister hatte er nicht, was wohl durch den frühen Tod seines
Vaters zu erklären sein dürfte – weiter „nach Zigeunerart“, wie es die
Behörden ausdrückten, herumgereist und hat Handel mit Pferden und Textilien
betrieben. Etwa um 1934 muß dann Joki mit der
„deutschblütigen“ Hilde(gard) S. eine „Zigeunerehe“ einge-gangen sein;
Versuche, standesamtlich zu heiraten, sind offenbar während der NS-Zeit daran
gescheitert, da er nicht die notwendigen Papiere (Geburtsurkunde) beibringen
konnte. Die orthodoxe Kirche in Łódź konnte ihn jedenfalls nicht in
ihren „Standesbüchern“ finden (s.o.). Hildegard S. (geboren am 19.Januar 1911
in Mönchengladbach-Rheindahlen) mag möglicherweise zu einer heute noch am
Niederrhein und in Köln anzutreffenden Jenischen-Familie[18] gehören, die man auch
manchmal als „weiße Zigeuner“ bezeichnet(e) und die vermutlich Korbmacher
waren. Dafür spricht u.a. daß sie offenbar kaum oder gar nicht die Schule
besucht haben dürfte, da sie teilweise amtliche Protokolle mit drei Kreuzen
unter-schrieb[19] und sich auf der
Flucht vor der Polizei Korbmachern anschloß. Ihr Vater, Anton S., taucht in
den Akten als „Manufakturwarenhändler“ auf. Dem Namen nach zu urteilen, mag
ihre Mutter keine Jenische gewesen sein. 1941 lebten ihre Eltern in
Neuss-Grimmlinghausen.[20] Die unterschiedlichen Geburtsorte der fünf
gemeinsamen Kinder von Joki D. und Hilde S. zeugen von einem Leben auf
Reisen, das, wie später zu sehen sein wird, auch die NS-Behörden trotz
entsprechender Gesetze nicht unterbinden konnten. Die fünf Kinder waren:
Friedrich S. (* 24.2.1935 in Heinsberg), Helmut S. (* 24.8.1936 in
Sterkrade), Karl-Heinz S. (* 7.1.1938 in Mönchengladbach), Josef S. (* 12.6.1939
in Aachen) und Hans Günther S. (* 21.8.1941 in Köln, schon früh, am 8.1.1942
verstorben). Sie scheinen also hauptsächlich im Rheinland und in angrenzenden
Gebieten (z.B. Münsterland, wo Hildegard S. im Februar 1938 in Coesfeld
erkennungsdienstlich behandelt und erfaßt worden war) gereist zu sein. Die Familie hat sich offenbar, von Aachen
kommend, erstmals 1939 in Köln niedergelassen; im Januar 1940 wohnte sie in
dem Griechenmarktviertel (Kleiner Griechenmarkt 50) der südlichen Kölner
Altstadt, wo in verschiedenen Straßen sowohl Sinti als auch Roma
Mietwohnungen bezogen hatten. Es war der Stadtteil in Köln, in dem die
meisten Zigeuner lebten, ein arme-Leute-Viertel, das auch viele Juden
osteuropäischer Herkunft bewohnten und von dem ein Kripobeamter als von „einem
verrufenen als Verbrecherviertel bekannten Stadtteil“ schrieb.[21] Joki’s Mutter Rosa lebte und
arbeitete 1938 noch in der Gegend von Oldenburg. Ihr Sohn und seine Frau
waren zu der Zeit, wie es scheint, unabhängig von ihr im Westen Deutschlands
(zwischen Aachen und dem Ruhrgebiet) unterwegs. Spätestens im März 1940 lebte
Rosa Demetri dann ebenfalls in Köln, im gleichen Haus wie ihr Sohn. Anfang
Januar 1941 ist sie von dort in die Schemmergasse 1 umgezogen. Am 17.10.1939 ist der sogenannte „Festsetzungserlaß“[22], ein Schnellbrief
Himmlers, ver-öffentlicht worden, der es Zigeunern nicht mehr erlaubte,
herumzuziehen. Sie wurden von der Kriminalpolizei einzeln[23] darüber in Kenntnis
gesetzt, daß sie ohne Erlaubnis ihren Wohnort nicht verlassen durften; im Übertretungsfall
drohte man ihnen mit der Einweisung in ein Konzentrationslager, was auch in
manchen Fällen so gehandhabt wurde. Erlaubnisscheine für kürzere Reisen
wurden jedoch erteilt; am Zielort hatte man sich allerdings bei der dortigen
Polizei zu melden und diese Meldung bescheinigen zu lassen. So hatte Joki
z.B. für den 16. und 17.12.1940 die Erlaubnis bekommen, zur Beerdigung des
Kindes seines Schwagers Heinrich S. , der mit der Lovarkinja Hella Wernicke
in „Zigeunerehe“ lebte,[24] nach Krefeld zu
reisen oder vom 31.12.1940-1.1.1941 ebenfalls nach Krefeld zum Besuch seiner
erkrankten Schwägerin Maria S. Vom 3.-12.9.1941 hat er sogar die Erlaubnis
bekommen, nach Harburg bei Hamburg zu reisen, wohin er offenbar umzuziehen
beabsichtigte. Die Harburger Behörden verhinderten jedoch einen Umzug „mit
Rücksicht auf Eingemeindung nach Groß-Hamburg“. Es könnte sein, daß Joki
eine Flucht aus Nazi-Deutschland über Hamburg (vielleicht nach Großbritannien
oder Skandinavien) plante oder daß er dort mehr Verwandte hatte. Mitte Mai 1940 sind ja bereits viele Zigeuner
aus West- und Nordwestdeutschland ins „General-gouvernement“ (Polen)
„umgesiedelt“ worden,[25] wovon allerdings Joki
und seine Familie ausgenommen waren. Aus dem besetzten Polen sind immer
wieder Zigeuner geflohen und in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt;
jedenfalls dürften Joki und andere verbliebene Zigeuner Nachricht von der
Situation in Polen bekommen haben. In Köln hat schon wenige Monate nach der
Niederlassung von Joki Demetri’s Familie ein anonymer Schreiber am 15.3.1940
eine Postkarte an den „Herrn Oberkriminal“ im Polizei-präsidium am
Waidmarkt gerichtet, worin er mitteilte, daß „ungarsche Ziegeuner“ im
(Kleinen) Griechenmarkt 52 (mußte wohl richtig 50 heißen) wohnten, von denen
die Frau u.a. mit Unterwäsche hausieren gehen würde und daß man sie doch
einmal kontrollieren solle. „Also ich hoffe, daß mich der Herr Kriminal
wol verstanden hat. Bitte Karte zu verschweigen.“ Der Kriminalbeamte
vermerkte jedoch, daß es sich in der anonymen Postkarte um „Unwahrheiten“
und „Gehässigkeiten“ handelte.[26] Joki mag von Unruhe getrieben gewesen sein, als er zunächst im
Oktober 1940[27] in den nicht weit
entfernten Mauritiussteinweg 49 umzog, um dann im April 1942 wieder in den
Kleinen Griechenmarkt (diesmal Nr.36) zurückzuziehen. Da er sein ambulantes Gewerbe nicht mehr
ausüben durfte, war er gezwungen, als Hilfsarbeiter (u.a. bei der Fa. Schwerm
& Lange in Köln-Mülheim und der Kartonagenfabrik Seybold in
Köln-Ehrenfeld[28]) zu arbeiten. Es war
tatsächlich zum Teil eine Zwangsarbeit, zu dem das Arbeitsamt in engem
Zusammenspiel mit der Kriminalpolizei Zigeuner gezwungen hatte. Ein Weigerung
hätte die Einweisung in ein Konzentrationslager zur Folge haben können. Am 29.8.1941 verfaßte das Rittersche
„Forschungsinstitut“ über Joki Demetri eine „Rassen-diagnose“, wo eben seine
Zugehörigkeit zu den Kelderara bescheinigt wurde. Mit gleichem Datum schrieb
das Institut in seiner „gutachtlichen Stellungnahme“ zu Hildegard S.: „Nicht-Zigeuner
(ist Angehöriger einer Zigeuner-Mischling Familie“ (sic !). In dem
Zusammenhang hatte Joki einen Kölner Rechtsanwalt eingeschaltet, der durch
ein Schreiben vom 26.9.1941 an den Kriminalrat Walter Hennig des
11.Kommissariats[29] offenbar versuchte,
das weitere Zusammenleben angesichts des zu erwartenden Ritter-Gutachtens zu
erreichen. Der Rechts-anwalt schrieb u.a.: „Sobald dieses Gutachten
eingegangen ist, bitte ich mich zu benach-richtigen, um mir Gelegenheit zu
geben, zu dem Ergebnis der Untersuchung Stellung zu nehmen und entsprechende
Anträge zu stellen. Ich weise schon heute darauf hin, daß Demitri und die
S... längst formgerecht getraut wären, wenn die formelle Eheschliessung nicht
infolge des Fehlens einer Geburtsurkunde des Mannes unmöglich gewesen wäre.
Jedenfalls sorgt D. für seine Kinder und deren Mutter und geht m.W.
regelmässiger Beschäftigung nach. Bei Frau S... ist, nachdem sie 5 Kinder von
D. geboren hat, rassisch nichts mehr zu retten. M.E. ist es also das Beste,
wenn man das Paar gewähren lässt, selbst wenn die standesamtliche Eheschliessung
aus formellen Gründen nicht mehr nachgeholt werden kann. Zwingt man das Paar
zur Trennung, so hätte das lediglich zur Folge, dass die Kinder der
Allgemeinheit zur Last fielen. ...“[30] Genutzt haben diese Einlassungen nichts, was der
Rechtsanwalt nach einem Telefonat mit der Kripo dann auch einsehen mußte. Die
beiden Eheleute mußten, wie andere Zigeuner in der gleichen Situation auch,
sich schriftlich verpflichten, den Kontakt zueinander abzubrechen. Im
Dezember 1941 mußte Hildegard S. bei der Polizei die Erklärung
unterschreiben, die im Wortlaut den Zwangserklärungen in anderen Fällen
gleicht: „Mir wurde eröffnet, daß ich ab sofort jede Gemeinschaft mit dem
obengenannten Jocki Demetri aufzugeben habe und mir der Geschlechtsverkehr mit
ihm und auch mit anderen Zigeunern und Zigeunermischlingen verboten ist. Im
Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung habe ich zu erwarten, daß ich in
polizeiliche Vorbeugungshaft genommen werde.“[31] Ihr Mann mußte
seinerseits eine ähnliche Erklärung unterzeichnen. Hilde S. war übrigens noch
einen Monat zuvor als Zigeunerin erfaßt worden. Mitte November 1942 erschien Joki bei der
Kölner Kripo und gab zu Protokoll, daß er sich etwa eine Woche zuvor in der
Lindenburg (Klinik) habe sterilisieren lassen und deshalb wieder mit
Hildegard S. zusammenleben wolle.[32] Hätte er etwas von
dem späteren Schicksal seiner Kinder geahnt, wäre er möglicherweise nicht zu
diesem Schritt bereit gewesen. Nicht wenige Zigeuner haben sich geweigert,
der Sterilisation zuzustimmen. Gegen Ende Oktober 1942 ist Joki Demetri’s.
Mutter Rosa mit der Polizei in Konflikt gekommen, als sie mit anderen
Zigeunern in einer Wohnung im Kleinen Griechenmarkt 37, wo zu der Zeit neun
Zigeuner (alle oder die meisten wohl Roma) wohnten, nach Alkoholgenuß zu
mitter-nächtlicher Stunde durch Singen und anderem Lärm auffielen, so daß die
Polizei gerufen wurde. Dabei machte Rosa Demetri den folgenschweren Fehler,
sich verbal mit der Polizei anzulegen und ihr außerdem 20 Mark anzubieten,
falls sie die Angelegenheit auf sich beruhen lassen würde; zudem hatte sie
keinen „Zigeunerpaß“ mit sich geführt. Das Kölner Amtsgericht verurteilte sie
am 19.1.1943 zu einem Monat Gefängnis wegen Bestechung; am 2.3.1943 ist sie
in das KL Auschwitz eingeliefert worden. Rosa Demetri ist im Lagerbuch des
Zigeunerlagers Auschwitz-Birkenau verzeichnet.[33] Das Datum der
Einlieferung fehlt dort allerdings (wie auch bei den meisten der anderen
Deportierten), es wird jedoch am 13.8.1943 vermerkt, daß sie dort
„verstorben“ sei, was immer das bedeutete. Das Lagerbuch enthält auch drei
Mitglieder der Kaikoni-Sippe.[34] Vermutlich war die Einlieferung seiner Mutter
in das Konzentrationslager und die vorherigen Deportationen von Zigeunern aus
seiner Umgebung für Joki das Signal, nur wenige Tage darauf aus Deutschland
zu fliehen. Er hatte sich zu dem Zweck falsche Papiere (Familien-stammbuch)
besorgt, die auf den Namen Christian Haas lauteten. Den Familiennamen Haas
gibt es unter Zigeunern (offenbar bei den Sinti);[35] möglicherweise ist
Joki auf diesem Wege an entsprechende Papiere gekommen. Neben seiner Frau und
den vier Söhnen (der jüngste, fünfte Sohn war im Vorjahr gestorben) waren am
6.März 1943 mit ihm im Zug von Salzburg nach Schwarzach drei weitere
Personen, zwei deutsche Frauen aus dem Griechenmarktviertel und ein etwa
51jähriger Rom (Lovari) namens Wilhelm Pohl, der jedoch gleichfalls falsche
Papiere (auf den Namen Friedrich Müller) mit sich führte und ebenfalls vorher
in dem Viertel gelebt hatte. Frau, zwei eigene und zwei Ziehkindern des
Lovari waren ebenfalls am 2.März bei der Razzia festgenommen und in ein Lager
gebracht worden. Eine der beiden deutschen Nichtzigeu-nerinnen, Maria R.,
hatte seit drei Monaten ein Verhältnis mit einem anderen Kelderari.[36] Bei der Kontrolle im
Zug gaben sie an, Bombengeschädigte aus Krefeld und Köln zu sein. „Da die
beiden Herren infolge ihres Gesichtsausdruckes und ihrer Aussprache den
Verdacht von Ausländern bezw. Juden oder Zigeunern erweckten, und die
mitführenden Ausweisdokumente sehr mangelhaft waren, wurde die ganze
Reisegesellschaft zwecks eingehender Überprüfung am Bahnhof in Schwarzach
auswaggoniert. Die beiden mitreisenden Fräuleins erweckten wegen ihres
frechen Auftretens ebenfalls den Eindruck von Judenstämmigen.“[37] Da man bei Gestapo und
Kripo in Köln bzw. Krefeld Nachforschungen anstellen wollten, gestanden die
Reisenden und zeigten ihre richtigen Papiere. Sie gaben an, bei Verwandten
einer der beiden deutschen Frauen in Völkermarkt (Kärnten) die vier Kinder
unterbringen zu wollen. Ein V-Mann im Polizeigefängnis fand jedoch heraus,
daß sie (zumindest die Zigeuner) eigentlich nach Ungarn fliehen wollten. Bei
dem Aufenthalt auf dem Schwarzacher Bahnhof hatten Hilde S. und Maria R.
Goldmünzen, die sie dabei hatten vor der Durchsuchung in der Wasserspülung
der Damentoilette zu verstecken, was jedoch später aufflog. Wie das Zigeuner
überhaupt, besonders aber auch die Kelderara gerne tun, hatten sie die
nötigen Barschaften zum Teil in Goldmünzen verschiedener Provenienz angelegt.
Dies wurde als Devisenvergehen und Verstoß gegen die
Kriegswirtschaftsverordnung (am 4.9.1939 eingeführt) gewertet; und später
eröffnete man ein Verfahren gegen Hilde S. und Joki. Am 8.April 1943 sind sie
mittels Sammeltransports von Salzburg nach Köln zurückgeschickt worden. Joki
D. kam ins Klingelpütz-Gefängnis, seine Frau in ein Kölner Frauengefängnis. Am 13. April 1943 schrieb die Kölner
Kriminalpolizeileitstelle an die Kriminalpolizeiabteilung in Krefeld, daß „...Demetri
nicht in das KZ-Lager Auschwitz einzuweisen ist,“ wie die „Reichszentrale
zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ in Berlin entschieden hätte.[38] Hierbei wird offenbar
auf die Deportationen vom März 1943 Bezug genommen, vor denen Joki D.
ausgenommen war. Am 7. Mai 1943 schrieb dann jedoch jene „Reichszentrale“ an
die Kripoleitstelle Köln: „Ich bitte, Jocki Demetri und die aus der
Verbindung mit Hildegard S... hervorgegangenen 4 Kinder in das KL Auschwitz
einzuweisen. Hildegard S... hat sich im Jahre 1942 bereit erklärt, alle
später gegen Zigeuner getroffenen Maßnahmen auf sich zu nehmen, wenn ihr das
weitere Zusammenleben mit Demetri gestattet wird. Falls sie nunmehr
unterschriftlich und unwiderruflich um ihre gleichzeitige Einlieferung mit
Demetri und den 4 Kindern in das Zigeunerlager ersucht, bestehen gegen die
Einweisung der S... in das KL Auschwitz keine Bedenken.“[39] Dazu ist es aber offenbar nicht gekommen. Am
9. Juli 1943 ist Hilde S. aus dem Gefängnis entlassen worden und hat dann
ihre Kinder gesucht, die sie während ihrer Haft bei ihrer Schwester Maria S.
(* 1909 in Mönchengladbach) in Krefeld gelassen hatte; denn nach der
Bombardierung Krefelds zu Pfingsten 1943 ist diese mit den Kindern nach Köln
gereist und hat im Kleinen Griechenmarkt Unterkunft genommen, dort wo sie
vorher gewohnt hatten. Maria S. lebte „in Zigeunerehe“ mit dem Lovari Josef
Wernicke; sie hatten zusammen (mindestens) drei Kinder: Wilhelm S. (Ende Juni
1943 vier Jahre alt), Janosch S. (6 Jahre) und Inge S. (8 Jahre).[40] Durch einen Fliegerangriff in der Nacht zum
29. Juni 1943 ist das Griechenmarktviertel zu 95 % zerstört worden, wobei
Tausende von Toten zu beklagen waren.[41] Darunter waren auch
die Schwester, ihre drei Kinder und die vier Kinder von Hilde S.; 423
Menschen kamen allein in dem öffentlichen Luftschutzkeller, in den sie
geflüchtet waren, zu Tode.[42] Unter den Opfern
waren übrigens auch mindestens zehn Sinti.[43] Diese Bombardierung
Kölns, die eine der schlimmsten des Krieges war, hat offenbar auch das
Gefängnis beschädigt oder zerstört, was die Ent-lassung von Joki Demetri zur
Folge hatte. Übrigens sind bei der Bombardierung auch die Akten wegen des
vorgeworfenen Devisenvergehens vernichtet worden, so daß man das Verfahren
nicht weiter betrieb. Am 13. August 1943 informierte die Kölner
Kripo ihre Kollegen in Krefeld, daß man davon ausginge, daß Hilde S. und Joki
in Kontakt stünden. Für Joki wäre die Verbringung nach Auschwitz (s.o.)
vorgesehen (wenn man ihn wieder zu fassen bekäme), was man jedoch seiner Frau
unter keinen Umständen mitteilen sollte. Man stellte jedoch gleichzeitig
fest, daß „das Konzentrationslager Auschwitz zur Zeit für weitere
Einweisungen geschlossen“ sei, weshalb noch über seinen weiteren Verbleib
nach seiner Festnahme zu beschließen sein würde.[44] Hilde S. durfte zu
ihren Eltern nach Neuss ziehen, wo sie aber offenbar, wie die Kriminalpolizei
erst später feststellte, da sie nicht informiert worden war, nicht blieb, Sie
fand zunächst bei der fahrenden Korbmacherfamilie B. Unterschlupf (Anfang
1944), verfolgt von den Behörden, die allerdings immer etwas zu spät an den
Orten auftauchte, wo sie zuletzt gesichtet worden waren. Korbmacher –
vermutlich teilweise oder hauptsächlich Jenische – konnten offenbar, soweit
sie nicht als Zigeuner eingestuft oder als „Asoziale“ in ein Lager verbracht
worden waren, während des Krieges noch weiter herumreisen. Hin und wieder
boten sie Zigeunern, die auf der Flucht vor den Nazischergen waren,
Unterschlupf-möglichkeiten, wie eben auch der Hilde S.[45] Am 14. Januar 1944 schrieb die Kölner
„Dienststelle für Zigeunerfragen“ an die gleichnamige Stelle in Düsseldorf,
daß die beiden „wegen Auflageübertretung“ gesucht würden, weil sie
ohne Genehmigung ihren Aufenthaltsort verlassen hatte. Da sich Hilde S. ihre
Post postlagernd zur „Posthilfsstelle“ in Viersen-Bachert schicken ließ, wie
aus einem Brief hervorging, den sie an einen Kölner Kelderari (aus dem
Griechenmarktviertel) in einem Gefängnis in Düsseldorf geschrieben hatte
(hatte schreiben lassen), waren dort die Düsseldorfer zuständig. Die Kölner
fügten hinzu: „Ich weise besonders darauf hin, daß die S... und der
Demetri alles versuchen werden, um sich der Festnahme zu entziehen. Besonders
die S... ist eine heuchlerische, freche, verlogene Person. Sie wird sich auch
festnehmen lassen, wenn sie dadurch dem Demetri die Freiheit erhalten kann.“[46] Hier stieß die Kölner
Kripo also auf Widerstand; der Zusammenhalt der beiden angesichts der
Bedrohung durch die Staatsmacht, war ihre Form des Widerstandes gegen das
NS-Regime. Im Spätsommer 1944 ist Hilde S. mit ihrem Mann
Joki in einem Wohnwagen, als Korbmacher „getarnt“, umhergezogen –
wahrscheinlich schon seit Monaten – offenbar in der Hoffnung, dadurch
erneuten Nachstellungen durch die Behörden zu entgehen. Am 8.8.1944 schrieb die
Kriminalpolizeileitstelle Köln über Hilde S.: „Wie nachträglich festge-stellt
worden ist, hat sie Neuß-Krimmlinghausen [Grimmlinghausen] verlassen
und zieht etwa seit einem Jahre mit dem Jocki Demetri im Wohnwagen umher,
ohne der KPL-Stelle Köln hiervon Kenntnis gegeben zu haben. Ihr asoziales
Verhalten dürfte die Voraussetzung zur Einweisung in ein Konzentrationslager
erfüllen.“[47] Die Einstufung als
„Asoziale“ (auch bei Joki Demetri) war eine der ideologischen Begründungen
der Nazis, um Menschen, die sich dem System nicht unterordnen wollten, in
Arbeits- und andere Lager einzuweisen.[48] Drei Tage zuvor waren Hilde S. und Joki D. vom
„Gendarmerie-Gruppenposten Remagen der Ortspolizei in Sinzig“ festgenommen
und am 8.August in das „Polizeihilfsgefängnis“ in Köln-Deutz eingeliefert
worden. In der Festnahmeanzeige vom 5.8.1944 dazu hieß es: „D. zieht mit
seiner Frau Hilde, geb. S..., mit einem Wohnwagen, der mit zwei Pferde [sic
!] bespannt ist; ferner mit einer Ziege u. 9 Hunden, im Lande umher u.
flicken angeblich Körbe, Material hierfür war nicht vorhanden. Einen
Wandergewerbeschein besitzt er nicht. Er gibt an, er sei mit seiner Frau im
Wandergewerbe seines Schwiegervaters eingetragen. Diese Angabe ist nicht
zutreffend ... Demetri zieht nach Zigeunerart umher u. zwar ziel u. zwecklos.
Pferde und Arbeitskraft könnten einem anderen Zweck zugeführt werden.“[49] Am 18.8.1944 wurde Hilde S. „auf Grund
ihres asozialen Verhaltens der Kriminalpolizei Düsseldorf zur losen
Überwachung überwiesen.“[50] Joki D. sollte, nach
einem Schreiben der Kriminalpolizeileitstelle Köln, mit dem nächsten
Sammeltransport ins Konzentrationslager Natz-weiler (Elsaß) überführt werden;
erwogen war wohl auch ein Einweisung ins KZ Auschwitz. Am 24.8.1944 ging der
Transport los, doch offensichtlich nicht nach Natzweiler; denn das Hauptlager
hatte man schon im Sommer 1944 begonnen, zu evakuieren, da die Aliierten
näher rückten. Im September 1944 war die Verlegung der Häftlinge
abgeschlossen.[51] Am 2.11.1944 schrieb
die Kommandantur des Gefangenenlagers Rodgau (Lager II-Rollwald in
Niederroden/ Hessen) an die Kripo Köln, daß Joki Demetri und ein anderer
Gefangener, aus dem Straf-gefängnis Wittlich kommend, dort eingeliefert
worden war, obwohl man sich dort nicht für „zuständig“ hielt und ihn „nicht
länger hier halten“ könne. „Insbesondere bitte ich mir mitzu-teilen,
in welches KZ.Lager ich die Schutzhäftlinge überstellen kann.“[52] Wie es dann mit Joki
und Hilde S. bis zur Befreiung Deutschlands weiterging, darüber enthalten die
Akten nichts. Möglicher-weise ist Joki D. in eines der zahlreichen
Außenstellen (-kommandos) des KZ Natzweiler in Süddeutschland verbracht
worden, die dort noch existierten, als das Hauptlager schon aufgelöst war. Das Ehepaar hat die Zeit des braunen Terrors
jedoch überlebt; ihre jeweiligen Akten enthalten noch Vorgänge bis ins Jahre
1961. Nach dem Krieg haben sie sich – wie nicht wenige andere Zigeuner auch
(der Grund dafür bliebe noch zu untersuchen) – in Krefeld angesiedelt. Für
Joki Demetri ging der Kampf um die deutsche Staatsangehörigkeit weiter, die
jedoch bis 1961 (vielleicht auch nie) nicht festgestellt werden konnte. In
einer Aktennotiz der Kriminalpolizei Köln vom 17.8.1961 heiß es: „Weiter
erschien er im Jahre 1959 persönlich beim Dienststellenleiter des Ed [Erkennungsdienst]
und verlangte endlich eine derartige Bescheinigung. Zu seiner Unterstützung
brachte er ein halbes Dutzend Stammesbrüder mit, u.a. auch den Zigeunerboß
aus der Weidengasse – Wilhelm P... –. Eine Bescheinigung wurde ihm nicht
ausgestellt. Ihm wurde damals erklärt, daß Auskünfte nur an amtliche
Dienststellen auf deren Anfrage hin erteilt würden.“[53]
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Joki Demetri ist am 6.12.1990 im Alter von 82 Jahren gestorben
und auf einem Krefelder Friedhof beerdigt worden. Sein Grab hat die typische Form
vieler Kelderara-Gräber in Westdeutschland, jedoch nicht in dem sonst
bevorzugten dunklen Farbton. Auf einer Seite des Grabsteins ist Platz für
eine weitere Inschrift gelassen,[54] vermutlich für seine
Frau, mit der er die Leiden des Naziterrors und der Kriegszeit geteilt hatte. Ihr Leben und Leiden während der NS-Zeit könnte durchaus als
Vorlage für einen Film dienen. 2.
Ständig auf der Flucht: Karl „Rafflo“ Sattler Oder:
wie Rafflo zum „Schwerverbrecher“ wurde Always on the Run: Karl „Rafflo“
Sattler
Or: How Rafflo
Became a “Criminal” Firarî Karl “Rafflo” SattlerVeya: nasıl Rafflo “cani” oldu Der Sinto Karl Sattler, mit Spitz- oder
Zigeunernamen „Rafflo“ ist am 12.Mai 1908 in Kirchen-lamitz in Oberfranken
geboren worden.[55] Sein Vater hieß ebenfalls Karl Sattler (geboren 1867 in
Stafflangen bei Biberach/ Oberschwaben, gestorben ca. 1931), mit „romano
lab“ (Zigeuner-namen) „Durländer“ – er arbeitete (u.a.) als Schirmflicker
und Siebmacher – seine Mutter war Elisabeth oder Elise „Buslinka“
Herzenberger (geb. 1870 in Frieding/ Krs. Starnberg), die aber möglicherweise
richtig Frosch hieß.[56] Den Familiennamen Sattler haben allerdings
auch Lovara (Roma) angenommen.[57] So ist der Lovari
Karl Jaja Sattler aus Berlin in den 1920er/ 30er Jahren in der Zigeunerarbeit
der Berliner Stadtmission ein bekannter raschai (Prediger) gewesen,
wahrscheinlich der erste Lovara-Prediger, der auch Teile der Bibel in den
Romanes-Dialekt seiner Leute übersetzt hat.[58] Nun, die „ursprünglichen“ Sattler (unter den
Zigeunern) waren offenbar Sinti, so eben auch Rafflo. Zwischen den Weltkriegen scheinen viele Sinti,
vor allem aus Württemberg und Bayern, Richtung Norden und Nordwesten, ins
Rheinland gezogen zu sein. Diese Migration und die Sesshaftwerdung in Köln und
anderen Orten des Rheinlandes sind ein eigenes, noch zu bearbeitendes Thema. Ob nach den Regeln der gadsche (der
Nicht-Zigeuner) Rafflo eigentlich Herzenberger geheißen haben müßte, weil
seine Eltern möglicherweise nicht standesamtlich verheiratet waren, ist eine
Frage, die das Polizeipräsidium in Stettin in einem Schreiben vom 24.5.1941
an die gleich-rangige Behörde in Köln aufwarf. Denn dort schien man
festgestellt zu haben, daß ein Josef Sattler (geb. 1901 in Tattendorf/
Niederösterreich) eigentlich Herzenberger heißen müsste. Dieser hatte
behauptet, daß Karl Sattler sein leiblicher Bruder (eigentlich wohl
Halbbruder) wäre. Vermutlich hat er, aus der Vorstellung heraus, daß
einerseits Familiennamen ohnehin nur für die gadsche von Bedeutung
sind, andererseits der Familienname des Vaters, also Sattler, der wichtigere
wäre (selbst wenn die Eltern nicht standes-amtlich verheiratet waren, sie
aber den Zigeunern als verheiratet galten), nicht gedacht, in welche
Komplikationen er seinen Bruder mit hineingezogen hatte. Bei den
verschiedenen Zigeunergruppen stellt man immer wieder fest, daß der
Familienname, unter denen man bei den gadsche registriert ist, nicht
mehr ist als „Schall und Rauch“, d.h. man kann ihn gegebenenfalls auch
durchaus mehrfach wechseln. Rafflo Sattler hatte am 12.Juni 1933 vor dem
Standesamt in Weddel (bei Braunschweig) Ida Eva Laubinger (geb. am 19.6.1901
in Weddel) geheiratet, die vermutlich Sintizza war. Zuvor waren ihnen schon
zwei Kinder geboren worden, Asta (geb. am 6.2.1931 in Berlin) und Karl (geb.
am 26.5.1933 in Celle). Spätestens 1937 ist die Familie nach Aachen
gezogen; denn dort ist Rafflo am 6.2.1937 vom Amtsgericht Aachen zu zwei
Wochen Gefängnis wegen Gefangenenbefreiung verurteilt worden. „Befreiung aus
Gefangenschaft“ sollte für die nächsten Jahre für ihn ein immer
wiederkehrendes „Thema“ seines Lebens werden. Am 31.5.1939 ist Rafflo Sattler mit seiner
Familie in Aachen erkennungsdienstlich behandelt und als Zigeuner „erfaßt“
worden. Damals wohnten sie zusammen mit seiner Schwiegermutter Wilhelmine
Laubinger, (geborene Weiss) in Aachen, Gasborn Nr.13. Die
Kriminalpolizeistelle Aachen, die die Erfassung durchführte, war der
Kriminalpolizeileitstelle Köln zu- bzw. unter-geordnet, d.h. sie mußte ihre
Maßnahmen mit den Kölnern abstimmen. Am 24.4.1940 teilten die Aachener der Kölner
„Dienststelle für Zigeunerfragen“ mit, daß die Sattlers zunächst von Köln
nach Düren verzogen wären. Von dort ist die Familie jedoch am 17.10.1940 nach
Köln, Spulmannsgasse 72 verzogen. Von der Deportation von Zigeunern ins
besetzte Polen („Generalgouvernement“) im Mai 1940 war die Familie offenbar
nicht betroffen. Über die nächsten zwei Jahre gibt Karl
Sattlers Akte nur spärlich Auskunft. Im Juni 1941 war Rafflo bei der Firma
Karl Schütz in der Follerstr.88 in der südlichen Kölner Altstadt beschäftigt.
Eigentlich war er Musiker, doch war es in der Zeit schwierig, den Beruf
auszuüben und eine Familie davon zu ernähren. Am 28.3.1942 ist die Familie, die zuletzt in
der Schemmergasse 4 im Kölner Griechenmarktviertel wohnte, nach Im Stavenhof
7 in der nördlichen Altstadt verzogen. Offenbar hatte ihr früherer Aufenthalt in
Düren damit zu tun, daß dort Verwandte von Rafflo’s Frau lebten; denn am
30.9.1942 bekam Rafflo die polizeiliche Erlaubnis, zur Beerdigung des
Großvaters seiner Frau, Alfons Goussenthier, dorthin zu fahren. Zwecks „Regelung
und in Ordnungbringung der Grabstelle“ des Verstorbenen konnte er am
25.11.1942 erneut nach Düren fahren. Die Freizügigkeit war zwar nach dem
Festsetzungserlaß eingeschränkt, es wurde jedoch, wie es scheint ohne
Probleme, die Erlaubnis zu Reisen an andere Orte Deutschlands gegeben,
solange die Personen immer unter Kontrolle blieben. Im August 1942 hatte Rafflo in Stettin eine
Stelle als Erdarbeiter beim Straßen- und Gleisbau in Aussicht und das
Angebot, dort mit seiner Familie bei seinem Halbbruder Josef wohnen zu
können. Die Kölner „Dienststelle für Zigeunerfragen“ dazu am 4.1.1943: „Von
hier werden gegen den Umzug der Familie Sattler nach Stettin keine
Einwendungen erhoben. Es scheint sogar wegen der Wohnraumnot in Köln
wünschenswert, wenn ihr die Genehmigung für den Zuzug in Stettin erteilt
wird.“ Die Kölner, die offenbar
gerne die Familie losgeworden wären, hatten jedoch die Rechnung ohne den Wirt
bemacht; denn am 15.1.1943 wiesen die Stettiner Behörden das Ansinnen ab,
ebenfalls mit Verweis auf den knappen Wohnraum bei den Verwandten als auch in
der Stadt Stettin überhaupt. Anfang 1943 war Rafflo in Köln, Unter
Krahnenbäumen 1, wohnhaft, bevor er untertauchte, nachdem seine Frau und die
beiden Kinder festgenommen worden waren und auch er mit seiner Festnahme
rechnen mußte. Es war am 11.März 1943, als aus ganz Deutschland Zigeuner nach
Auschwitz deportiert wurden. Seine Frau ist im Hauptbuch des Zigeunerlagers
als Ida-Eva Satler vermerkt; ihr Tod ist unter dem 23.4.1943, also gerade
einmal sechs Wochen nach der Deportation eingetragen worden,[59] die Tochter, Asta Sattler, die die darauffolgende
Häftlingsnummer (3628) trug, überlebte die Mutter um ein paar Monate; ihr Tod
wurde unter dem 20.1.1944 verzeichnet.[60] Der Sohn Karl Sat(t)ler jun. entkam dem Vernichtungslager
ebenfalls nicht; er ist am 23.3.1944 als verstorben eingetragen.[61] Die beiden 11 und 13jährigen Kinder haben also fast ein Jahr in
der Hölle von Auschwitz gelebt.[62] Wann Rafflo vom Tod seiner Familie erfahren
hat, ist nicht bekannt. „Seit dieser Zeit hält er sich in Köln und im
Rheinland ohne polizeiliche Meldung auf und zieht ziel- und planlos im Lande
umher.“ So das 11.K. der Kripo Köln am 21.10.1944. Es scheint, daß es den
Vor-stellungshorizont der Behörden, in diesem Fall des Kripo-Beamten Tron,
überstieg, daß sich hier jemand auf der Flucht vor den Häschern befand, also
durchaus keine ziel- und planlose Mobilität an den Tag legte. Rafflo wurde im Deutschen Fahndungsbuch (Nr.289, S.775) zur Festnahme
ausgeschrieben. Als Rafflo Sattler schon im Untergrund lebte,
wurde von der „Rassenhygienischen und Bevöl-kerungs-biologischen
Forschungsstelle beim Reichsgesundheitsamt“ am 10.5.1944 eine „gutachtliche
Äußerung“ verfaßt, unterzeichnet (als Stempel) von Robert Ritter. Man sah ihn
als „ZM (+)“ („Zigeunermischling mit überwiegend zigeunerischem
Bluteinschlag“). Im weiteren Verlauf des Jahres 1943 ist Rafflo’s Leben nicht
„aktenkundig“ geworden. Am 3.4.1944 ist er dann Beamten des 14.Polizeireviers
in Köln-Ehrenfeld in die Hände gefallen. In der Hansemannstraße war er mit
einem Soldaten in Streit geraten, der ihm offenbar vorge-worfen hatte, sich
der Wehrpflicht entzogen zu haben und ihn der Polizei vorführen wollte. Offenbar
ließ man in Köln (vielleicht auch anderenorts) Gastwirtschaften durch
Wehr-machtsstreifen kontrollieren,[63] was möglicherweise
der Grund für die Auseinandersetzung war. Im Verlauf wurde dann ein
„Diensthundeführer“ der Polizei von einem anderen Soldaten, der, dem Namen
nach zu urteilen, wahrscheinlich ein Jenischer war, herbeigerufen. Rafflo
ver-suchte zu flüchten, wurde jedoch von dem Polizeihund gestellt. Auf der
Wache ging der Streit zwischen Sattler und den Soldaten weiter, so daß man
ihn in ein anderes Zimmer brachte. Von dort flüchtete er jedoch. Die Kölner
„Zigeunerbehörde“ schrieb am 6.4.1944 an das Kommando der Schutzpolizei: „Der
vorgeführt gewesene Karl Sattler ... hält sich in Köln ohne polizeilich
gemeldete Wohnung auf. Er wird von der Dienststelle für Zigeunerfragen wegen
Einweisung in das Zigeunerlager Auschwitz, vom 8.K. wegen
Kriegswirtschaftsvergehens ... und vom 14.K wegen Körperverletzung gesucht.“ Am gleichen Tag schrieb die nämliche Behörde
an die „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ und die
„Außendienststelle Mönchengladbach der Kriminalpolizeileitstelle Düsseldorf“:
„Er soll sich angeblich nach M.-Gladbach begeben haben, um dort bei
Zigeunern oder nach Zigeunerart umherziehenden Personen, die in Wohnwagen
wohnen sollen Unter-schlupf zu finden.“
Der Erkennungsdienst der Kripo in Mönchengladbach meldete zwar
Fehl-anzeige, fügte jedoch hinzu: „Es könnte aber die Möglichkeit
vorliegen, dass er sich bei den nach Zigeunerart umherziehenden Personen in
Odenkirchen, Karlstraße pp. aufhält.“ Daraufhin die Kripo in
Rheydt-Odenkirchen am 17.4.1944: „Nach den getroffenen Fest-stellungen
hält Sattler sich bei den in Odenkirchen Karlstraße wohnenden Korbmachern
nicht auf ... Nach einer vertraulichen Mitteilung soll Sattler sich in Köln
Westbahnhof, im Wohnwagen bei einer unbekannten Frau und zwar eine geborene
P... aus Krefeld, deren Mann Soldat ist, im Wohnwagen aufhalten.“ Die
angesprochene Christine Antonie P. (geb. 1921 in Neuss) war eine Jenische.[64] Am Westbahnhof
(Venloer Wall) war Rafflo jedoch nicht aufzu-spüren. Etwa drei Monate später meldete der
„Gendarmerie-Einzelposten“ Flerzheim (Landkreis Bonn) der Polizei in
Rheinbach und der Kölner Kripo: „Am 28.7.1944 gegen 12 Uhr wurde in Peppenhoven der Wohnwagen von
Hans B. kontrolliert. Bei dieser Kontrolle wurde ein Karl Sattler ...
ermittelt. ... Er wurde auf seine Festnahme hingewiesen und begab sich in den
Wohnwagen seinen Rock zu holen. Dabei nützte er die Gelegenheit aus und
sprang an der Hintertür heraus und lief in das dicht dabei liegende
Wäldchen.“ Rafflo war der Polizei das zweite Mal entwischt. Hans B.
gehörte einer Artistenfamilie an, die einen Wandergewerbeschein besaß. Im Zusammenhang damit findet sich ein nicht
erklärlicher Aktenvermerk des 13.K der Kripo Köln vom 31.7.1944: „Sattler
wird … wegen Entweichens aus dem KZ.-Lager gesucht.“ Bisher war nicht
davon die Rede, daß Rafflo ebenfalls in einem Lager gewesen war. Am 9.8.1944 verfaßte der „Meister der
Gendarmerie“, Spitz, eine Aktennotiz, nach der sich Rafflo Sattler in
Euskirchen aufgehalten und eine Nicht-Zigeunerin, Margarete St., beauftragt
hatte, den Wohnwagen mit Pferd in Peppenhoven abzuholen. Dabei schien sie von
der Gendarmerie beschattet worden zu sein. Der „Kriminalaussenposten“
Euskirchen gab am 17.8.1944 der Kriminalpolizeileitstelle Köln weitere
Einzelheiten bekannt. Danach hatte Rafflo in Euskirchen verschiedentlich bei
Frau St. gewohnt, die wiederum eine Schwester in Köln-Mülheim hatte. Diese
Schwester muß wohl der Polizei verschiedene Tipps gegeben haben, u.a. daß er
sich mit Margarete St. in einem Wohnwagen in (Köln-)Porz-Urbach aufhalten
könnte, wie die Kriminalstelle in Mülheim am 30.8.1944 notierte. Ein Tag
später schrieb daher die „Dienst-stelle für Zigeunerfragen“ an den
Bürgermeister von Porz als Ortspolizeibehörde, nach Rafflo zu fahnden. Man
sieht, halb Köln wurde gegen ihn mobil gemacht. Erst eine Woche später, am
7.9.1944, meldete der Außenposten Porz zurück: „Sattler konnte hier nicht
ermittelt und festgenommen werden. Die Feststellungen ergaben, daß vor
Eingang des Vorganges in Urbach 2 Tage ein Wohnwagen gestanden hat. Der
Wohnwagen führte Körbe zum Verkauf an die Leute mit sich. Inzwischen war der
Wohnwagen, der mit einem Schimmel bespannt gewesen sein soll, wieder
weggefahren. Wo der Wohnwagen sich heute aufhält, oder in welcher Richtung
derselbe fuhr, konnte nicht ermittelt werden.“ So schrieb dann am 12.9.1944 das 11.K. an die
„K III“[65] mit der Bitte um
Veröffentlichung im poli-zeilichen Meldeblatt unter der Überschrift
„Flüchtiger Zigeuner !“: „Es steht fest, daß S. bei nach Zigeunerart
umherziehenden Korbmachern und Schirmflickern Unterschlupf findet und mit
diesen umherzieht. … Umherziehende Korbmacher, Schirmflicker pp. Wohnwagen
durch-suchen …“ Im Oktober 1944 ist Rafflo erneut bei der
Kontrolle eines Wohnwagens in Gieleroth/ Krs. Altenkirchen Gendarmen in die
Hände geraten. Der Wohnwagen gehörte wohl Maria Pfeil (geb. Q., geb. 1909 in
Trier), die offenbar aus einer „fahrenden Familie“ stammte und möglicherweise
mit Rafflo’s Halbbruder Josef Herzenberger, der „unerlaubterweise“ aus
Stettin gekommen war, ein Kind hatte, das am 15.9.1944 geboren wurde und die
Vornamen von Karl und Josef trug.[66] Sie hatte seit 1934
mit dem Zigeuner (Sinto ?) Ludwig Rosch „in Zigeunerehe“ gelebt, mit dem sie
fünf Kinder hatte, bevor dieser am 11.3.1943 ins Zigeunerlager nach Auschwitz
deportiert wurde – höchstwahrscheinlich zusammen mit Karl Sattler jun., da
sie aufeinan-derfolgende Häftlingsnummern trugen. Ludwig Rosch’s Tod ist dort
am 23.9.1943 vermerkt worden.[67] Rafflo wies zunächst einen Ausmusterungsschein
vor, der auf einen anderen Namen lautete, bis man bei ihm einen
Zigeunerausweis auf seinen Namen bei ihm fand. Den Ausmuste-rungsschein will
er in Köln jemandem für 10 Reichsmark abgekauft und dann mit seinem Lichtbild
versehen haben, womit er sich der Urkundenfälschung schuldig gemacht hatte.
In der Festnahmeanzeige des „Gendarmeriegruppenpostens“ Altenkirchen an das
Amtsgericht in Kirchen/ Sieg vom 11.10.1944 liest man u.a.: „Sattler …
mußte dann aber doch zugeben, daß er … als Zigeunermischling seit einem Jahr
flüchtig sei. … Seit der Festnahme seiner Frau und der 2 Kinder will er
flüchtig sein. Es sei ihm bekannt, daß auch er festgenommen werden sollte.
... Er habe seine ihm zugewiesene Arbeitsstelle verlassen. Dadurch wurde er
arbeits-vertragsbrüchig. Seit etwa einem Jahr befindet sich Sattler nun ohne
Arbeit, ohne Wohnung, ohne pol. Meldung, landstreichend und obdachlos
angeblich in der Umgebung von Köln. Seinen Lebensunterhalt will er durch
Gelegenheitsarbeiten bestritten haben. … Bei Sattler handelt es sich um einen
bewussten Rechtsbrecher der es fertig brachte mehr als ein Jahr verborgen zu
leben.“ Am nächsten Tag sollte dann Rafflo Sattler dem
Amtsgericht in Kirchen vorgeführt werden. Ein „Oberw(achtmeister) d(er)
Sch(utz)p(olizei) d(er) Res(erve)“ kam ihn in aller Frühe vom Gefängnis der
Gestapo Koblenz abzuholen: „Ich begab mich in die Wachstube, die sich in
unmittelbarer Nähe der Ausgangstür zum Erdgeschoß befindet und nahm hier die
Brieftasche und die Geldbörse des Sattler in Empfang. In diesem Moment ist
der Sattler, der wie mir angegeben war, ein steifes Bein hatte und nur mit
einem Stock gehen konnte, durch die nur angelehnte Flurtür über die Treppe in
den Flur in das Erdgeschoss gesprungen und durch eine der beiden
Ausgangstüren ins Freie gelangt. … Ich nahm sofort mit dem
Gefange-nenaufseher die Verfolgung des Sattler auf … Gleichzeitig wurde ein
Zug in Stärke von 30 Mann der hier liegenden SS-Panzereinheit Hohenstaufen
mit zur Verfolgung des Sattler ein-gesetzt. Die Suche nach dem Sattler war
aber trotzdem ohne Erfolg. Wie später durch Vernehmung von Zeugen
festgestellt wurde, hatte der Sattler überhaupt kein steifes Bein und hat
dieses nur vorgetäuscht.“ Rafflo war seinen Verfolgern somit zum dritten
mal „durch die Lappen“ gegangen. In einem Schreiben vom 13.10.1944 versuchte
sich der Gendarm für sein „Missgeschick“ zu recht-fertigen: „Bei dem
Gefangenen handelt es sich um einen Schwerverbrecher, der am 10.10.44 in
einem Wohnwagen bei fahrendem Volk in Gieleroth … aufgegriffen worden war. …
Bei dem Festgenommenen handelt es sich um eine äußerst geschickte, gewandte
Person. Obwohl er nicht schreiben und lesen konnte, verteidigte er sich in
höflicher Form durch zwar verlogene aber treffende passende Antworten.“
Es ist klar, daß es ein empfindlicher Affront gegen einen Überwachungsstaat
wie den der Nazis war, wenn sich ihm jemand mit Erfolg widersetzte; das wird
auch aus Äußerungen wie den vorgenannten deutlich. So wurde also Rafflo zum
„Schwerverbrecher“. Am 21.10.1944 schrieb das 11.Kommissariat der
Kölner Kripo (Kriminalinspektor Tron) an die „Kriminalvorortstelle“ in
Ehrenfeld, das 16.Polizeirevier und das 13.K., mit dem Vermerk „Eilt“: „Der
Zigeunermischling (+) Karl Sattler, … ist wegen verschiedener Straftaten und [sic
!] Einweisung in ein Konzentrationslager festzunehmen. Er ist bereits
dreimal festgenommen gewesen und ist jedes Mal wieder entlaufen. Zuletzt war
er in dem Wohnwagen der geschiedenen Ehefrau Pfeil, … festgenommen worden. …
Am 21.10.1944 ist er in Köln wieder gesehen worden. Nach einer vertraulichen
Mitteilung will Sattler die Pfeil nach Köln-Ehrenfeld bringen, wo die Pfeil
ihren Wohnwagen auf dem Takuplatz abstellen will. Das Gespann von zwei
Pferden soll das Eigentum von Sattler sein. Mit den Pferden wird dann Sattler
Köln verlassen. Ich bitte mit Rücksicht auf die schwierigen
Verkehrsverhältnisse von dort alle Maß-nahmen zu treffen, um Sattler
festzunehmen. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß Sattler Springer
[sic !] ist und auch vor Gewalttätigkeiten nicht zurückschreckt. Die
Anwen-dung von Hand- und Fußfesseln sind angebracht, …“ Die verschiedentlich von der Polizei behauptete
„Gewalttätigkeit“ findet sich allerdings in der Personalakte nirgendwo
konkret ausgeführt. Der Takuplatz ist bis heute Stellplatz für
Schausteller und andere „Fahrende“. Hier wie auch schon vorher klingt an, daß
die Polizei offenbar im „Milieu“ Informanten hatte, die „vertrauliche
Mitteilungen“ weitergaben. Am gleichen Tag wandte sich das 11.K. auch an
das 15.K.: „Das Zigeunerlager in Auschwitz ist z.Zt. für weitere
Einweisungen geschlossen. Ich bitte deshalb von dort die Einweisung in ein
Konzentrationslager bei seiner Festnahme zu veranlassen.“ Man könnte aus
dieser Äußerung schließen, daß dem Beamten das Zigeunerlager in Auschwitz
nicht als ein Konzen-trationslager gegolten hat. Drei Tage später meldete das 16.Polizeirevier,
daß man auf den bekannten Wohnwagen-stellplätzen, insbesondere dem Takuplatz,
weder von Rafflo Sattler noch von Maria Pfeil eine Spur gefunden hatte. Die nächsten Monate hörte man nichts mehr von
Rafflo, bis am 5.2.1945 ein Funkspruch der Kripo Münster die
Kriminalpolizeileitstelle Köln erreichte, nach dem er dort festgenommen
worden war. Drei Tage später vermerkte das K.III in Köln: „Da Einweisung
in das Zigeunerlager Auschwitz unmöglich, bittet [sic !] Münster
umgehend Nachricht, was geschehen soll. ... Da das Zigeunerlager Auschwitz
für Einweisungen nicht mehr in Frage kommt, müsste Sattler in ein
Konzentrationslager eingewiesen werden. Seine Einweisung kann aber nicht
erfolgen, da nach einer Anordnung des RKPA. [Reichskriminalpolizeiamt]
vom 16.9.1944 ... erst die Straf-verfahren erledigt sein müssen.“ Am 13.2.1945 vermeldete ein
weiterer Funkspruch, daß Rafflo das dortige Polizeigefängnis „fluchtartig“
verlassen hätte. Er hatte somit ein viertes Mal den NS-Behörden eine
Niederlage beigebracht. Wie es mit ihm bis Kriegsende weiterging,
darüber gibt seine Akte keine Auskunft. Jedenfalls hat er den Krieg überlebt.
Am 25.5.1949 ließ sich Rafflo aus
seiner Personalakte seinen Zigeu-nerausweis, Stammbuch, Geburtsurkunde und
ein Lichtbild von ihm und der oben erwähnten Margarete St. aushändigen.
Offenbar blieb er in Köln wohnen; im Jahre 1958 lebte er in der Jennerstr. in
Ehrenfeld und betrieb einen Handel mit Textil- und Korbwaren.[68] Der letzte Vorgang in seiner Akte datiert vom
27.10.1965 und betraf den Aktentransfer im Wiedergutmachungsverfahren[69] vor dem Landgericht
Köln. Noch heute hat der inzwischen verstorbene Rafflo Sattler im
Kölner Raum mehr oder weniger entfernte Verwandte.
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Quellen:
Amtsblatt für den Regierungsbezirk Köln (Ausgabe A mit Öffentlichem Anzeiger) Köln ARNOLD, Hermann: Soziale Isolate im Mosel-Saar-Nahe-Raum (Veröffentlichungen des Instituts für Landeskunde des
Saarlandes, 10) Saarbrücken 1964 ARNOLD, Hermann: Die Zigeuner Herkunft und Leben der Stämme im deutschen Sprachgebiet
Olten/ Freiburg i.Br. 1965 ASSENMACHER, Doris/
NIPPER, Josef:
Das Griechenmarktviertel – Ein Wohnviertel für „kleine Leute“ ?
In: Dorthea Wiktorin/ Jürgen Blenck/
Josef Nipper/ Manfred Nutz/ Klaus Zehner (Hrsg.): Köln
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Anmerkungen: |
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[1] Da es offenbar
als ein „Muß“ angesehen wird, daß man sich für die Verwendung des Begriffs
„Zigeuner“ rechtfertigt oder andernfalls einer (falschen) politischen Korrektheit
frönt, sei hier auf eine Internetseite des Verfassers verwiesen, die einige
Argumente für den weiteren Gebrauch der jahrhundertealten Bezeichnung
zusammenfaßt: http://www.rbenninghaus.de/zigeuner-begriff.htm.
[2] Die
verschiedenen regionalen und lokalen Studien hier aufzuführen, würde den Rahmen
dieses Aufsatzes sprengen; an übergreifenden Studien seien hier erwähnt: DÖRING
1964; ZIMMERMANN, 1989 und 1996; LEWY 2001; ROSE 2003; FINGS/ SPARING 2005.
M.Zimmermann und G.Lewy haben auch einige der Akten des Bestandes BR 2034 im
HStA Duisburg, aber wohl nicht alle, durchgesehen; K. Fings und F. Sparing
behaupten hingegen, alle diese Akten gesehen zu haben.
[3] Z.B. JOKISCH 1981;
FRANZ 1985; KRAUSNICK 1988; RENNER 1988; LESSING 1993; FIRZLAFF 1998; ROSENBERG
1998; DÖPPERT/ REINHARDT 1999; METTBACH/ BEHRINGER 1999; MÜLLER 1999; WINTER
1999; KRAUSNICK 2001; SONNEMANN 2002; Stadt Herbolzheim u.a. 2003; HANSTEIN
2005. Verschiedene Artikel sollen hier außer acht gelassen werden, um den
Rahmen nicht zu sprengen.
[4] Z.B. C.STOJKA
1988 und 1992; K.STOJKA/ POHANKA 1994; M.STOJKA 2000.
[5] Ein kurzer
Hinweis zu dem Thema stellt der Aufsatz von STEINBACH 1998 dar.
[6] Es sind nicht
von allen Kriminalpolizeileitstellen Zigeunerpersonalakten erhalten geblieben.
Nur in drei Staatsarchiven (Potsdam, Magdeburg und Düsseldorf) finden sich
diese Akten (LEWY 2001, S.9). Über die Magdeburger Akten siehe auch: MODE/
WÖLFFLING 1968, S.171-200; GILSENBACH
2000, S.128-131. Ob die im Hamburger Staatsarchiv vorhandenen „Landfahrerakten“
(siehe: SEIBERT 1984, S.93-101) zumindest zum Teil den gleichen Charakter wie
die Zigeunerpersonalakten haben, ist dem Verfasser nicht bekannt.
[7] Über die
„Migrationsgeschichte“ dieses Aktenbestandes siehe FINGS/ SPARING 1993 und
1995, S.192-194. Von den ca. 1876 Akten dieses Bestandes sind ca. 814 Zigeunern
zugeordnet, ca. 545 Vorgänge betreffen männliche und ca. 145 weibliche
Vorbeugungshäftlinge, unter denen ebenfalls einige Zigeuner zu finden sind
(Findbuch 217.05.05). Eine Ergänzung zu diesem Bestand stellen die von dem lt.
Kriminaldirektor a.D. der Kölner Polizei, Walter Volmer, im Keller des
Polizeipräsidiums gefundenen und ausgewerteten Erkennungsdienstlichen Karteien
von erfaßten Personen, die verstorben sind, dar (MÜLLER/ VOLMER 2000). Diese
Karteikarten sind wohl mittlerweile dem HStA Duisburg übergeben worden. Joki
Demetri ist darin ebensowenig enthalten wie seine Lebensgefährtin Hildegard S.;
allerdings finden sich dort zwei der Kinder der beiden.
[8] HStA DU, BR
2034, Nr.837 und Nr. Nr.VH I 1269 (Joki Demetri), Nr.87 (Hildegard S.) und
Nr.897 (Rosa Demetri). Möglicherweise noch im Bundesarchiv in Potsdam
vorhandenes Material konnte für diesen Aufsatz nicht herangezogen werden.
[9] Eine Familie
mit ähnlichem Familiennamen (Demestre), die z.B. auch im Kölner Raum lebt,
gehört ebenfalls zu den Tschurara, die insgesamt in Deutschland nicht sehr
zahlreich sind. Die große Familie Demeter hingegen scheint zu den Kelderara zu
gehören. Die NS-Rasseforscher haben offenbar die Tschurara ignoriert bzw. nicht
gekannt und dazu gehörige Familien wohl zu den Kelderara gerechnet.
[10] Gutachten vom
29.8.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.837).
[11] Auf den für
Lovara und Kelderara gemeinsamen Vordruck tragen die Gutachten für die Lovara
einen zusätzlichen Stempel mit dem Inhalt: „Obige(r) ‚Róm-Zigeuner(in)’
gehört einem Händlerschlag an, welcher bestimmte Merkmale mit den Juden
gemeinsam hat.“ Wenngleich die
Lovara traditionell meist Pferde-händler waren, dürften ihnen die Kelderara,
auch wenn sie ursprünglich Kesselschmiede waren, als Händler kaum nachstehen.
Auch insofern ist die ohnehin generalisierende Bemerkung des Ritter-Instituts
nicht sonderlich erhellend.
[12] Über dieses
Institut ist viel geschrieben worden, u.a. in: DÖRING 1964, S.67 ff.; KROKOWSKI
1994; ROSE 2003, S.33 ff. Krokowski hatte ihre (unveröffentlichte)
Magisterarbeit über dieses Institut geschrieben: „Die Rassenhygienische und
Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle am Reichsgesundheits-amt (1936-1945)
unter besonderer Berücksichtigung von Sinti und Roma“ (Univ. Hannover 1992).
Über Robert Ritter und seine Mitarbeiter siehe darüber hinaus HOHMANN 1991.
[13] HOHMANN 1991,
S.362 f. Die balkanischen Zigeuner sind wohl meist aus dem Gebiet des
ehemaligen Jugoslawien gekommen.
[14] Im Deutschen
Lodsch (im Polnischen Wudsch) ausgesprochen und teilweise so in den
Aktenstücken geschrieben; Litzmannstadt ist die frühere deutsche Bezeichnung
für die Stadt.
[15] Ihre Eltern
waren Batist („Surka“) Demetri und Maria („Mara“) Demetri, laut der
„Rassediagnose“ für Rosa Demetri vom 29.8.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.897). Um
die Zeit lebte sie mit dem Nichtzigeuner Johann K. zusammen.
[16] Siehe auch
DÖRING 1964, S.96.
[17] Das Hauptbuch
des Zigeunerlagers des KZ Auschwitz-Birkenau verzeichnet zwei Kaikonis mit
Geburts-orten: Hamburg und Hademarschen. Herr H.Gosmann teilte
freundlicherweise die Eintragung aus dem katholischen Taufregister von
Bramsche-Malgarten mit, nach der ein Johannes Kaikoni, geb. am 17.12.1899 in Alfhausen,
wenige Tage später in Bramsche getauft wurde. Seine Eltern waren der „Zigeuner
und Kessel-flicker“ Michael Kaikoni und Barbara Kaikoni, geb. Kola. Eine
Karolina Kolla führt DILLMANN (1905, S.120) als „angeblich“ aus Hamburg
stammend auf. Allerdings findet man in einer Liste von in München enteigneten
Personen bzw. Familien auch vier Kaikoni(e)s (http://www.unibw-muenchen.de/campus/Film/beschl.htm - nicht mehr
online).
Der Zweite Weltkrieg
hat die vorherige Wanderungen der einzelnen Zigeuner-Sippen in bestimmten
Gebieten – soweit man diese überhaupt einigermaßen umreißen kann (RITTER 1941,
S.487-489, hat das grob versucht) – durch neue Grenzziehungen, die physische
Vernichtung der Familien und die teilweise Zerstörung der traditionellen
Kulturen mehr oder weniger beendet. Gräber von Angehörigen der Kaikoni-Sippe
hat der Verfasser auf Friedhöf in Mönchengladbach und Neumünster gefunden.
[18] Angehörige
einer Jenischen-Familie in Köln mit ähnlichem Namen hat sich in neuerer Zeit
verschiedentlich mit Kelderara verheiratet und auch deren Sprache gelernt.
[19] Eine hin und
wieder von ihr geleistete Unterschrift widerspricht nicht unbedingt der Annahme
ihres Anal-phabetismus; manche Analphabeten haben es gelernt, zumindest ihren
Namen zu schreiben.
[20] HStA DU, BR 2034, Nr.87.
[21] Ein Beamter des
15.K. am 20.7.1942 in der Begründung der Anordnung der polizeilichen
Vorbeugungshaft für Adalbert Franz Paul (HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 754).
[22] Siehe u.a. DÖRING
1964, S.86 ff.; ZIMMERMANN 1993, S.43 f. und 1996, S.169 f.; LEWY 2001,
S.119-123.
[23] Joki D.
unterzeichnete (mit drei Kreuzen) am 26.1.1940 und Hildegard S. offenbar am
20.11.1941 entsprechende Verpflichtungserklärungen. In dem Vordruck heißt es
u.a.: „Mir ist heute eröffnet worden, dass ich und meine Angehörigen meinen
Wohnsitz oder jetzigen Aufenthaltsort bis auf weiteres nicht verlassen darf und
dass ich im Falle der Nichtbefolgung dieser Anordnung in ein [sic !]
Konzentrationslager untergebracht werde.“ (in den jeweiligen Akten der
beiden: HStA D, BR 2034, Nr.87 und 837).
[24] HStA DU, BR 2034, Nr.730. Heinrich S., der
Händler war, und Hella Wernicke konnten aufgrund fehlender Geburtsurkunde von
H.Wernicke ebenfalls nicht standesamtlich heiraten und wurden später unter
Androhung von KZ-Haft polizeilich getrennt. Wären ihre drei gemeinsamen Kinder
nicht früh gestorben, hätten sie wahrscheinlich zusammenbleiben können. Beide
wären zu einer Sterilisation bereit gewesen, um zusammenbleiben zu können. Doch
wurde das von der Kölner „Dienstelle für Zigeunerfragen“ abgelehnt. Am
26.10.1942 ist Hella Wernicke als „Asoziale“ in „polizeiliche Vorbeugehaft“
genommen und dann ins KZ Ravensbrück überführt worden. Auch die Schwester von
Heinrich und Hildegard S., Maria, lebte mit einem Zigeuner zusammen.
[25] Über diese
erste Deportationswelle von Zigeunern siehe u.a. ZIMMERMANN 1993, S.45-48 und
1996, S.172-184; CORBACH 1999, S.82; LEWY 2001, S.124-142.
[26] HStA DU, BR 2034, Nr.837. Zum Thema der Denunziation
existiert eine auf Köln bezogene Publikation: DÖRDELMANN 1997.
[27] Am gleichen
Datum ist ein “inländischer Zigeuner“ (ein Sinto offenbar) vom Kleinen
Griechenmarkt 43 nach Polen deportiert worden, was möglicherweise den Umzug von
Joki Demetri veranlaßt haben mag, obgleich ihn das natürlich nicht davor
geschützt hätte, ebenfalls deportiert zu werden. Wie bereits erwähnt, sind etwa
fünf Monate vorher (um den 16. bzw. 21.5.1940) schon zahlreiche Sinti und Roma
aus dem gleichen Viertel und anderen Teilen Kölns und Deutschlands ins
„Generalgouvernement“ „umgesiedelt“ worden.
[28] Schreiben der
Firma Seybold GmbH an das Arbeitsamt Köln vom 4.1.1941 (HStA DU, BR 2034, Nr.VH
I 754).
[29] Das
11.Kommissariat ist ab 1942 ausschließlich als „Dienststelle für
Zigeunerfragen” tätig gewesen (SPARING 2000, S.524).
[31] HStA DU, BR 2034, Nr.87.
[32] Zum Problem der
Zwangssterilisation in der NS-Zeit siehe BOCK 1986.
[33] Memorial Book, Bd.1 (1993), S.132 (im Original S.107
f.). Als Staatsangehörigkeit ist dort Deutsches Reich, als Beruf
Arbeiterin angegeben. Nach dem Kriege (1955 und 1957) wurde bei der Kölner
Polizei nach einer Bescheinigung über den Tod von Rosa Demetri im KL Auschwitz
nachgesucht, die diese jedoch nicht geben konnte, da die Personalakte über
ihren Tod keine Eintragung enthielt (HStA DU, BR 2034, Nr.897).
[34] Memorial Book,
Bd.1 (1993), S.270 f. (im Original S.245 f.) und Bd.2, S.740 f. (im Original
S.6).
[35] DILLMANN 1905,
S.87.
[36] HStA DU, BR
2034, Nr.1130. Sie wurde übrigens auch ein Opfer der Bombardierung vom
29.6.1943 (HStA DU, BR 1131, Nr.88).
[37] Bericht des
Beamten der Geheimen Staatspolizei, Staatspolizeistelle Salzburg
(Kriegsfahndungsdienst) vom 8.3.1943 (HStA DU, BR 2034, Nr.837).
[39] HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 1269.
[40] HStA DU, BR
1131, Nr.88 (die Nummern 2887-2890 der Totenliste).
[41] ASSENMACHER/
NIPPER 2001, S.154. Einen Augenzeugenbericht der Zerstörung gibt PETTENBERG
1985, S.162-168. Man sprach von 12.000 zivilen Toten. Eine detaillierte
Auflistung der Gebäudeschäden enthält die Akte BR 1131, Nr.90 im HStA DU.
Summarisch wird hier auch die Zahl der Toten und Verwun-deten (für ganz Köln)
angegeben. Demnach war die Zahl der Getöteten jedoch niedriger, nach einer
ersten Zusammenstellung: 578 Männer, 1.045 Frauen und 318 Kinder
identifizierter Zivilisten deutscher Nationa-lität, 893 (zunächst) unbekannte
Leichen, 2 „fremdvölkische Arbeiter“ und 25 Uniformierte (Polizeireserve,
Luftschutzpolizei, Wehrmachtsangehörige); daneben 1264 Verwundete. Eine andere
(spätere ?) Statistik spricht von 1.812 Toten innerhalb und 1.648 außerhalb des
Luftschutzraumes, 1.500 Verwundeten innerhalb und 3.500 außerhalb des
LS-Raumes. 230.000 Personen seien obdachlos geworden (HStA DU, Bestand BR 1131,
Nr.7).
[42] Erklärung von
Hilde S. vor der Kölner Kripo am 23.7.1943 (HStA DU, BR 2034, Nr.87). In der
ED-Kartei (siehe Anm.5) sind nur die Karteikarten von zweien der Kinder
erhalten, auf denen ihr Tod vermerkt worden ist.
[43] HASt K,
Acc.606, Nr.12, Bl.17 f. und Nr.21.
[44] HStA DU, BR 2034, Nr.837.
[45] HStA DU, BR 2034, Nr.837. Auch den
ebenfalls vor den Nazis auf der Flucht befindlichen Karl Sattler hat die
Polizei im April 1944 bei Korbmachern im Mönchengladbacher Raum vermutet und im
September 1944 bei fahrenden Korbmachern in (Köln-) Porz-Urbach (HStA DU, BR
2034, Nr.1005). Die Schaustellertochter Erika Seeger, die sich von ihrer im Mai
1940 nach Polen „umgesiedelten“ Familien getrennt hatte und in ihre Heimatstadt
Duisburg zurückgekehrt war, ist im Herbst 1941 über vier Monate mit ihr fremden
(?) Korbmachern in Ostwestfalen und im Ruhrgebiet herumgereist (HStA DU, BR
1111, Nr.50).
[46] HStA D, BR 2034, Nr.837. In dem Brief an
den Kelderari (dessen Vater Nichtzigeuner, allerdings ein „Fahrender“ war)
Josef Paul, der von Köln ins KL Natzweiler überführt werden sollte (siehe auch:
HStA DU, BR 2034, Nr.1130 und Nr.VH I 1180), schrieb Hilde S., daß dessen Vater
in Auschwitz wäre. Auch geht aus dem Brief hervor, daß Joki Demetri offenbar
nur wenige Verwandte in der Gegend hatte („Binn gestern gewar geworden das
du nach Düsseldorf bist du kans dir ja denken wie Ich mir gefreüht habe zu
hören das doch noch einer da ist wir haben gedacht das wir nur noch alleine da
wären Jocki und ich. ... hoffentlich komst du noch gesund wider das Jocki auch
noch jemant hat.“ [sic !] Josef Paul’s Mutter, Katharina Paul, deren
Geburtsname mit Gottschaum (geb. 1879 in Straßburg) wiedergegeben ist (wie
immer sie an den Namen gekommen sein mag), war eine Schwester von Rosa Demetri.
Josef Paul und Joki Demetri waren also Vettern (nach dem „erb- und
lebensgeschichtlichen Fragebogen“ vom 15.7.1942 von Adalbert Franz Paul, dem
Bruder von Josef Paul; HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 754).
[47] HStA DU, BR 2034, Nr.87.
[48] Zum Thema der
Verfolgung als „Asoziale“ abgestempelter Personen im sogenannten Dritten Reich
siehe u.a.: SCHERER 1990 und AYASS 1995.
[49] HStA DU, BR 2034, Nr.VH I 1269.
[50] HStA DU, BR 2034, Nr.87.
[51] VORLÄNDER 1978,
S.9; KIRSTEIN 1992, 33; ORTH 1999. S.272.
[52] HStA DU, BR 2034, Nr. VH I 1269.
[53] HStA DU, BR 2034, Nr.837.
[54] So der Stand im
September 2002.
[55] Wenn nicht
anders vermerkt, folgt die Darstellung den Informationen aus der „Personalakte
der Zigeunerfamilie“ des Bestandes BR 2034, Nr.1005 (Karl Sattler) im HStA D.
[56] Den Eltern von Rafflo
Sattler ist bei DILLMANN (1905, S.231 f.) eine ganze Seite gewidmet.
[57] Daß die Lovara
und andere Roma teilweise die Namen deutscher Sinti übernommen haben, ist nicht
eine „fixe Idee“ der NS-Behörden (siehe z.B. JUSTIN 1943, S.21; RITTER 1941,
S.489), sondern eine historische Tatsache.
[58] MISKOW 1931;
MICHALSKY-KNAK 1935; ARNOLD 1965, S.173 (Anm.) und S.180 (Foto); GILSEN-BACH
1993, S.300-303, ZIMMERMANN 1996, S.59 f. Jaja Sattler ist 1902 geboren und hat
das KL Auschwitz nicht überlebt.
[59] Memorial Book, Bd.1, S.258 f. (im Original S.233 f.).
[60] Memorial Book, Bd.1, S.260 f. (im Original S.235 f.).
[61] Memorial Book, Bd.2, S.918 f. (im
Original S.95).
[62] Über
verschiedene Aspekte der Deportation nach Auschwitz und die Situation im Lager
siehe den Sammelband von DŁUGOBORSKI 1998.
[63] HStA DU, BR
2034, Nr.VH. I 754 (aus dem “Kriminellen Lebenslauf” von Adalbert Franz P. vom
15.7.1942).
[64] Da sie zunächst
auch als Zigeunerin angesehen wurde, hatte sie ebenfalls eine „Personalakte für
ledige Zigeuner“ (HStA DU, BR 2034, Nr.683). Sie war zeitweilig (1939)
ebenfalls in Odenkirchen, Karlstr.7 gemeldet.
[65] Offenbar ist
hier die III.Kriminalinspektion, der u.a. die „Dienststelle für Zigeunerfragen“
innerhalb des 11.K. angegliedert war, gemeint (SPARING 2000, S.524).
[66] Ihr Vater war
Korbmacher und stammte aus Niederweiler im Hunsrück, wo vor allem Jenische bzw.
ihnen nahestehende Hüttenleute lebten (HStA DU, BR 2034, Nr.59; ARNOLD 1964,
S.62 f.).
[67] Memorial Book, Bd.2, S.918 f. (im Original S.95);
HStA DU, BR 2034, Nr.59.
[68] Amtsblatt für
den Regierungsbezirk Köln, 138.Jg., Nr.30 vom 8.8.1958, S.352 f., wo der
Verlust seines Wandergewerbescheins öffentlich bekannt gemacht wurde.
[69] Über die
Probleme, die Zigeuner nach dem Krieg mit der „Wiedergutmachung“ nach dem Bundesent-schädigungsgesetz
(BEG) vom 29.Juni 1956 hatten, siehe: CALVELLI-ADORNO 1961; HUDEMANN 1998;
TÖRNE 1998; WILLEMS 1998.