Ethnizität in Karikaturen und
Zeichnungen Beispiele von verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Türkei Ethnicity in Caricatures and Cartoons Some examples
from different ethnic groups of Turkey Karikatürlerde Etnik Kimlik Sorunları Türkiye’nin
değişk etnik gruplarından bir kaç örnek |
||
|
Zusammengestellt von Rüdiger Benninghaus |
|
Karikaturen bringen häufig bestimmte Probleme auf den Punkt und können dadurch manchmal einen Sachver-halt eindrücklicher "zur Sprache" bringen als lange Abhandlungen. Hier sollen einige Beispiele aus Zeitschriften und Zeitungen
verschiedener Ethnien der Türkei präsentiert werden, die Themen der
ethnischen Identität und der interethnischen Beziehungen aufgreifen. Natürlich wird hierbei nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was
das Selbstbildnis verschiedener Ethnien aus-macht, angesprochen und dies im
Rahmen dieser Sammlung auch nur isoliert betrachtet und nicht im
Zusam-menhang der jeweiligen Publikation, geschweige denn in größeren
Zusammenhängen. Die Zusammenstellung mag jedoch einerseits als ein Beispiel
dafür dienen, daß Ethnizitätsfragen auch mit Hilfe von Karikaturen beleuchtet
werden können, und andererseits wird damit ein kleiner Einblick in die bunte
"ethnische Landschaft" der Türkei geworfen. Die Sammlung klammert die Situation von Migranten aus der Türkei in Deutschland aus; dieses wäre ein eigenes, nicht unergiebiges Thema. SpracheSprache ist gerade bei den nichttürkischen (nicht-turksprachigen) Ethnien der Türkei mit das wichtigste Element der ethnischen Identität. So ist es nicht verwunderlich, wenn das auch seinen Niederschlag in Karika-turen findet, meist als Klage gegen eine drohende/ begonnene sprachliche Assimilation. |
||
|
||
Zeichnung 1: (von Yüksel Akman, aus: Yeni Kafkasya, yıl 2,
sayı 7 <Mart 1993> S.1, Istanbul) Sohn zum
Vater (in der traditionellen Kleidung eines Kaukasiers): Papa, in welcher
Sprache ist das Buch geschrieben ? Warum haben
sie es dort hineingestellt ? – Vater: Mein
Sohn, das Buch ist in "Kaukasisch", unserer Ursprache... Weil wir es
nicht gelesen haben, ist es museumsreif geworden. – Dahinter
einige Kaukasier vor Büchern in Türkisch, Englisch, Kurdisch und über
Italien. |
||
Zeichnung 2: (von Nazmi Kafko, aus: Kafdağı, yıl 2,
sayı 13/14 <Şubat-Mart 1988> S.47, Ankara) In einem
„Meer“ des Wortes „Assimilation“ sticht das Ass mit einem Kaukasier, der energisch
einen kaukasischen Tanz vorlegt. |
||
Zeichnung 3: (von Cihan <İşbaşı ?>, aus:
Kafdağı, yıl 3, sayı 33/36 <Ekim 1989-Ocak 1990>,
S.71, Ankara) Hier hält
eine Hand mit dem Zettel “Assimilation, Made in Capitalism“ Spielkarten mit kaukasischen
Motiven, wobei sich
allerdings die Botschaft der Karikatur nicht klar erschließt. |
||
|
||
Zeichnung 4: (von Yaşar Babalık, aus: Ogni, yıl 1,
sayı 6 <Eylül-Ekim 1994>, S.46, Istanbul) Auf dem
Schild ist "lasische Sprache" zu lesen. Je weiter sich der
Mensch davon entfernt, um so mehr stirbt
etwas von seinem Körper ab, bis schließlich auch der letzte Rest zerplatzt. |
||
Zeichnung 5: (von Yaşar Babalık 1994, aus: Ogni, sayı 3,
S.33, Istanbul) Den Menschen
ist der Zugang zur „Lazuri Nena“ (der lasischen Sprache) durch
Stacheldraht verschlossen. Dagegen weist
ein Hinweisschild dorthin, wo es (nach Meinung der Machthaber in der Türkei) lang gehen
soll: „eine Sprache, eine Kultur, eine Nation.“ |
||
Zeichnung 6: (von ?, aus: Basında Çerkezler I, Istanbul 1993,
S.147) Ein Mann, durch seine Kopfbedeckung als Kaukasier auszumachen,
ist nicht allein im Himmel angekommen; wenn er auch sein Pferd nicht mitnehmen konnte, so doch seinen
Sattel. Vielleicht wartet er auch noch auf das Pferd ? Die Liebe der (Nord-)Kaukasier zu Pferden drückt sich auch in
vielen Zeichnungen aus. |
||
Zeichnung 7: (von ?, aus: Yeni Kafkasya, yıl 2, sayı 21/22
<Haziran 1994>, S.2, Istanbul) Diese Zeichnung
steht neben einem Bild, das die Vertreibung/ Flucht von Nordkaukasiern aus
ihrer Heimat vor 130
Jahren (1864) darstellt. Das Bewußtsein, im Exil zu sein, in Verbindung mit
Diskussionen, die vor allem unter den Nordkaukasiern geführt werden, ob man
in den Kaukasus zurückkehren soll, scheint besonders nach dem Zusammenbruch der
UdSSR Nahrung gefunden zu haben. Die Zeichnung zeigt, wie durch das Verharren
im Exil (sürgün) langsam der kaukasische Stamm immer mehr gekappt
wird; die Sorge vor weitergehender Assimilierung kommt hierbei
zum Ausdruck. |
||
Erschütterte Identität – Kampf um die Identität |
||
Zeichnung8: (von: Hakan ?, aus: Nart, Nr.4 <Ekim-Aralık
1997>, S.26, Ankara) Die Karikatur
zeigt im Mittelpunkt einen niedergeschlagen wirkenden Mann, der sich ständig
einredet (auf Türkisch): „Ich bin ein Tscherkesse.“ Das
einzige äußerlich Tscherkessische an ihm ist ein (kaukasischer) Dolch als Anstecker
auf dem Reverse seiner Anzugjacke. Die vor einem Computer sitzende Tochter, die ein Hemd
mit der Aufschrift „Ich liebe PC“ trägt, deutet auf
das Portrait eines Kaukasiers und fragt ihren Vater (auf Englisch): „Wer
ist das ?“ |
||
Zeichnung 9: (von: Şeyho Usar, aus: Ware, Nr.8 <Gulane
1995>, S., Baiersborn) Die Karikatur
soll auf einem tatsächlich stattgefundenen Gespräch beruhen. Zwei Zaza aus
Dersim unterhalten sich (Untertitelung:
Mehmet Doğan und Şeyho Usar...). Der eine (links): „Im Lande
herrscht heißer Krieg, Piro. Die Türkische
Republik kämpft mit der PKK.“ Piro (Eigenname oder Angehöriger
des alevitischen Geistlichenstandes): „Schön und gut, Pate; aber haben sie uns
nach unserer Meinung gefragt ?“
Hier wird auf die Kriegsauswirkung (im Dersim-Gebiet
?) abgehoben, wobei man ausdrücken will,
daß man als Zaza eigentlich nichts mit dem
Krieg zwischen türkischem Staat und den Kurden zu tun hat;
d.h. es wird hier die eigene Identität als
Zaza betont,
die vielfach von
kurdischer Seite negiert wird, indem man sie als Kurden vereinnahmt. |
||
Verhältnis zum türkischen Staat Für manche nichttürkische Gruppen ist die Opposition zum
türkischen Staat, von dem man sich diskriminiert und unterdrückt fühlt, ein
Teil ihrer Identität; am stärksten drückt sich das bei den Kurden und Zaza
aus. Bei den Aleviten, gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, erfüllt eine
Opposition zu dem Staat als Machtfaktor des sunnitischen Islams eine ähnliche
Rolle; bei alevitischen Kurden und Zaza verstärkt sie noch die bereits vorher
bezeichnete Oppositions- oder Opferrolle. |
||
|
||
Zeichnung 10: (von Aza ?, aus: Bîrnebûn, sayı 2, S.69, Wetzlar) Bülent Ecevit,
der in der Hand die offenbar erste Zeitschrift von Kurden Zentral-Anatoliens
in der Hand hält, zu seiner
Frau Rahşan: „Mensch
Rahşan, was ist nur mit diesen statten Konya-Kurden los
? Was wollen die eigentlich ?“ |
||
Zeichnung 11: (von Mem Kaya ?, aus: Azadiya Welat, sayı 177
<19.-25.06.1999>, S.15, Istanbul) Diese
Zeichnung aus einer PKK-nahen kurdischsprachigen Wochenzeitung („Freiheit des
Landes“) erschien in
einer Zeit, in der sich die PKK und deren Führer mit Friedensangeboten an den
türkischen Staat nur so überschlug. Ein kleiner
Kurde steht vor viel größer dargestellten Repräsentanten des türkischen
Staates, allen voran
Bülent Ecevit, der hier (sogar) Kurdisch spricht. Der kleine
Kurde: „Wir möchten Frieden und Hoffnung wie jeder.“ Daraufhin die
etwas mißlungene Ecevit-Figur: „Was für
einen Frieden ? Deine Blume ist rot, ihr Name ist Zer <gelb, gold>,
ihre Blätter sind grün.“ (Anspielung
auf die kurdischen Farben) Die dahinter
stehende Figur: „Separatist !“ Der Soldat: „Keine
Ahnung !“ |
||
KleidungTraditionelle Kleidung in den Karikaturen soll einerseits die
ethnische (im weiteren Sinne) Zugehörigkeit der dargestellten Personen
klarmachen, andererseits offenbart sie, vor allem bei den Nordkaukasiern,
einen Stolz auf diese Kleidung. Sie stellt einen nicht unwichtigen „ethnic
marker“ dar. |
||
|
||
Selbstbildnisse |
||
Zeichnung 12: (von Yaşar Babalık, veröffentlicht u.a. unter: http://www.lazebura.com) Überschrift:
„ein Lase“ Zu sehen ist
wohl Schneewittchen mit sieben Zwergen. Der schwarz
gekleidete, finster blickende Zwerg im Vordergrund wird von einer
Sicherheitskraft kontrolliert. Auf seinem
Personalausweis steht geschrieben: „Name:
’Wütend’, Geburtsort: ’Ardeşen’, Name des Vaters: ’Leicht reizbar’“ Die Lasen aus
Ardeşen werden im allgemeinen so charakterisiert, was u.a. seine
Bestätigung darin findet, daß dort
Tötungen im Affekt und Blutrache noch recht häufig sind. |
||
Diese Karikaturensammlung soll laufend erweitert
werden, Beiträge dazu
sind willkommen. This
collection of caricatures/ cartoons is planned to be expanded constantly. Contributions
are welcome. Bu karikatür koleksiyonu
başlangıçtadır ve gittikçe genişletilecek. Katkılar seve seve
kabul edilir. |
||
|
|
|
|
Startseite – Home - Başsayfa
|
|